Eine Nacht wie Samt und Seide
sehnlichsten Wunsch unterdrückt und sieben Jahre lang alles getan, was ihr Vater verlangte. Jetzt hatte er das Gefühl, dass er verdient hatte, nun endlich das Leben zu führen, das er sich wünschte.
Der Earl hatte nur verächtlich die Lippen verzogen und sich geweigert, die Wünsche seines Erben auch nur in Erwägung zu ziehen.
Es waren Worte gefallen, Dinge gesagt worden, auf beiden Seiten Wunden geschlagen. Über die Grenze des Zumutbaren hinausgetrieben, war Russ außer sich vor Wut aus Dalloway Hall gestürmt. Er hatte nur mitgenommen, was er in seine Satteltaschen stopfen konnte, und war davongeritten.
Sieben Tage später, ziemlich genau vor drei Wochen, hatte Pris einen Brief erhalten, in dem er schrieb, er habe Arbeit in Lord Cromartys Gestüt gefunden, einem der bedeutendsten Rennställe in der benachbarten Grafschaft Wexford.
Der Spalt zwischen ihrem Vater und ihrem Bruder war nun tiefer als je zuvor. Pris war entschlossen, den Riss in ihrer Familie zu flicken, aber erst brauchten die Wunden Zeit, um zu heilen. Das wusste sie. Doch so ohne Russ, zum ersten Mal in ihrem Leben auf Dauer von ihm getrennt, fühlte sie sich einsam und im Stich gelassen, als sei ihr ein wichtiger Teil von sich selbst abhandengekommen. Das Gefühl war viel heftiger als damals, da ihre Mutter gestorben war. Da war Russ ja auch bei ihr gewesen.
Sie hatte sich auf den Weg zu Paddy gemacht, um ihre Sorgen aus dem Weg zu räumen, um die wachsende Beunruhigung wegen Russ zu vertreiben. Stattdessen musste sie erfahren, dass sich Russ in einer lebensbedrohlichen Lage befand.
Sie zog ein Stück Papier aus der Schublade, legte es vor sich auf die Unterlage. »Wenn ich sofort schreibe, kann Patrick hinüberreiten und ihm den Brief gleich heute Abend übergeben.«
»Meine Liebe, ich denke, es wäre besser, wenn du erst einmal das hier liest.«
Pris drehte sich um und sah, wie Eugenia einen Brief unter ihrer Handarbeit hervorzog.
Sie hielt ihn ihr hin. »Von Russ. Der Brief kam heute Mittag mit der Post. Als er dich nicht finden konnte, hat Bradley ihn sicherheitshalber mir gegeben, statt ihn auf dem Tablett in der Eingangshalle liegen zu lassen.«
Wo ihr Vater ihn am Ende bemerkt hätte. Bradley war ihr Butler; wie bei den meisten Bediensteten lagen seine Sympathien bei Russ.
Pris stand auf und nahm den Brief an sich. Sie ging zum Schreibtisch, brach dabei das Siegel und setzte sich wieder, faltete die Blätter auseinander und begann zu lesen.
Die einzigen Geräusche im Zimmer waren das Klappern von Eugenias Klöppelbesteck und das Ticken der Uhr auf dem Kaminsims.
»Oh nein! Was hast du? Was ist geschehen?«
Adelaides aufgeregte Fragen brachten Pris jäh zu ihnen zurück. Sie schaute von dem jungen Mädchen zu ihrer Tante und las aus ihren besorgten Mienen, dass sich ihr wachsendes Entsetzen auf ihren Zügen gezeigt haben musste.
»Russ ist nach England gegangen - nach Newmarket - mit Cromartys Tross.« Sie befeuchtete sich die trockenen Lippen, schaute wieder auf die Blätter in ihrer Hand. »Er sagt ...« Sie machte eine Pause, bis sie sich wieder ganz in der Gewalt hatte, dann sprach sie mit fester Stimme weiter. »Er sagt, er denkt, Harkness, der Oberstallmeister, führe etwas Undurchsichtiges im Schilde, eine Art Betrug bei der Pferdezucht, während sie in Newmarket sind. Er hat zufällig mit angehört, wie Harkness es dem Oberstallburschen erklärt hat - einem üblen Kerl laut Russ. Aber er hat nicht verstanden, wie genau das Manöver vor sich gehen soll, nur dass es mit einem Register zu tun hat. Russ meint, Harkness bezog sich auf das Register mit allen Pferden, die aufgrund ihrer Abstammung auf englischen Rennstrecken laufen dürfen.«
Sie drehte ein Blatt um, überflog die Seite, dann berichtete sie: »Russ schreibt, er kennt sich nicht mit den Details dieses Registers aus, aber wenn er jemals selbst Züchter werden will, dann sollte er auf jeden Fall mehr darüber herausfinden. Da dieses Register in Newmarket im Jockey-Club aufbewahrt wird, kann er das dort leichter tun.«
Auf der letzten Seite angekommen machte sie einen abfälligen Laut. »Der Rest ist voller Plattitüden, in denen er mir versichert, dass es ihm gut geht und ihm nichts passieren wird, wenn etwas schiefgeht, müsse er ja nur Lord Cromarty informieren, ich soll mir keine Sorgen machen ... und dann unterschreibt er mit >dein dich liebender Bruder, der zu einem Abenteuer aufgebrochen ist Sie warf den Brief auf den Schreibtisch und drehte sich
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