Eine naechtliche Begegnung
glitten über ihren Körper, und plötzlich nahm Nell sich selbst viel deutlicher wahr als ihn: Er hatte seine Lippen auf die Rundung ihrer Brüste gepresst, und sein weiches, heißes Flüstern war gedämpft, zu undeutlich, um es zu verstehen … aber der Tonfall war voller Verehrung. Dieser Mann wollte sie – und sie war sein Verlangen wert.
Sie lachte leise, jubelnd. Sie schob die Hand zwischen ihre Körper und fand sein steifes Geschlecht, zeichnete die Wölbung unter seiner Hose nach. Oh ja, hier wollte sie sein, den Rock über die Knie hochgezogen und er unter ihr, für immer. Sie rang plötzlich voller Ungeduld mit den Haken, sie wollte ihn ganz, seine Haut auf ihrer Haut, seinen Schwanz in ihr.
Er stöhnte ihr ins Ohr, stieß seine Hüften vor, um seine Erektion an ihrer Hand zu reiben, der dünne Stoff trennte sie noch für eine weitere ärgerliche Sekunde. Und dann war er frei und lag in ihrer Hand. Sie führte ihn in sich ein, ließ sich langsam auf ihn herabsinken. Ein langes Seufzen brach aus ihr hervor, als die Empfindung durch ihren Körper fuhr. Er füllte sie mit einer solchen Bestimmtheit aus, als hätte er nie auch nur eine Sekunde an ihr gezweifelt. Sein Haar streifte ihr Gesicht, und seine harte, heiße Zunge schob sich in ihren Mund, wie in einem Echo seines Eindringens unten.
Sie umschloss seine schlanken Hüften mit ihren Schenkeln, presste sich an ihn und grub ihre Nägel in seine muskulösen Schultern, während sie sich auf- und abwärts bewegte.
Er gehört mir
, dachte sie.
Mir
.
Er gehörte ihr, und sie würde ihn nicht gehen lassen.
In den folgenden Tagen verrutschte etwas in Nell, und sie fühlte sich als wäre sie leicht aus dem Gleichgewicht. Schräg, das Wort zeigte sich ihr in einem neuen Blickwinkel, offenbarte ihr alle möglichen Freuden, von denen sie nichts geahnt hatte.
Die Vormittage verbrachte sie mit Simon im Bett. Nachmittags lasen sie sich gegenseitig in der Bibliothek vor oder machten einen Spaziergang durch den Park. Sie besuchten das British Museum und diskutierten über die Gemälde. Auf dem Rückweg gingen sie durch die Stallungen, um die Zeitungsreporter zu vermeiden, die sich trotz der Bemühungen der Polizei auf dem Gehweg versammelt hatten.
Im Haus konnten sie kaum die Hände voneinander lassen.
Abends spielte Simon Klavier. Seine Musik überwältigte sie, und danach übersetzte er ihre Geheimnisse in Worte, erklärte ihr, dass Musik genauso eine Wissenschaft sein konnte wie eine Kunst. Jetzt verstand sie, was Lady Swanby damit gemeint hatte, dass eines Mannes
piano
eines anderen
pianissimo
war. Nell legte selbst die Hände auf die Tasten und lachte, als Simon sie durch einfache Tonleitern führte. Er küsste sie an der Stelle, wo Hals in Schulter überging und sagte, dass Magie in ihren Fingern wohnen würde.
Sie drehte sich auf der Bank um, zog ihn zu sich hinunter und zeigte ihm, welche Art von Magie ihre Hände bewerkstelligen konnten.
Sie lasen Seite an Seite am Kamin. Sie waren … häuslich, wie Mann und Frau. Sie sprach ehrlich mit ihm, und nur Sekunden oder Minuten danach fiel ihr ein – als gehörte das in eine unbedeutende Vergangenheit –, dass sie sich vielleicht vorsehen musste.
Aber eines sonnigen Morgens nach dem Frühstück kam ein Brief, der Nell die zerbrechlichen Grundlagen ihres Glücks in Erinnerung rief. Er war in Hannahs holpriger Handschrift verfasst und versprach geheimnisvolle Neuigkeiten, die mit Michael zu tun hatten. Obwohl ihr Stiefbruder erwähnt wurde, hätte die Einladung, Hannah zu besuchen, sie überglücklich machen müssen, denn sie vermisste ihre Freundin fürchterlich.
Die Einladung machte sie nicht überglücklich. Sie weckte plötzliche panische Angst, so heftig, dass ihr der Atem stockte.
Nell sah auf, und im hellen Licht des Frühstücksraums fiel ihr Blick auf den Diener, der den Brief gebracht hatte. Er war jung und schlank, und sein glattes, hartes Gesicht zeigte keine Regung, als er sagte: »Soll ich auf die Antwort warten, Mylady?« Aber in den blassen Augen sah sie ein hinterlistiges Glitzern, das besagte, dass er alles gesehen hatte: die krakelige Schrift, die falsch geschriebene Adresse, das Fehlen eines Siegels und den billigen braunen Umschlag.
»Nein«, sagte sie. »Das ist alles.«
Als er den Raum verließ, folgte sie ihm in die Eingangshalle. Sie zerknitterte den Brief in ihrer schweißigen, von der abfärbenden Tinte fleckigen Hand. Erst als sie fünf Schritte durch die Halle gemacht hatte,
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