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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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als wäre sie mit etwas durchgekommen. Aber Katherine hatte sie sofort durchschaut.
Ein Fabrikmädchen
, hatte sie verächtlich gesagt.
    Vielleicht hatte sie auch die Viscountess nicht täuschen können. Vielleicht hatte sie sich nicht nur aus Eifersucht so böse verhalten. »Hast du mit Lady Swanby geschlafen?«, fragte sie.
    Er straffte sich neben ihr. Nach einer langen Pause sagte er: »Ja. Bevor ich dich kannte.«
    »Und jetzt?«
    Er fasste unter ihr Kinn und schob es hoch, bis sie sich in die Augen sahen. Die Schatten standen ihm gut, betonten die schroffe Schönheit seiner Gesichtsknochen. »Jetzt bin ich verheiratet«, sagte er.
    Ein Moment verging. Sein Blick blieb entschlossen und unbeirrt.
    »In Ordnung«, sagte sie sanft.
    Der Landauer hielt schlingernd an einer Straßenkreuzung. Nell entzog sich Simon unter dem Vorwand, aus dem Fenster sehen zu wollen. Unter der hellen Beleuchtung der Läden stolzierten Dutzende von Fußgängern in feinen Samstagabendkleidern umher, die Herren trugen Spazierstöcke mit falschen Goldbeschlägen, Federn wippten auf den breiten Hüten der Damen.
    »Ich werde nie auch nur halb so viel wissen wie sie«, sagte sie an die Straßenszene gerichtet.
    »Wie Katherine?«
    »Die auch.«
    Langsam antwortete er. »Ich glaube, du verstehst die Sache mit der Viscountess falsch. Es hatte nie eine Bedeutung … in keiner Weise.«
    Sie wollte nicht weitersprechen, aber ihre Ängste mussten hinaus. »Ja, aber das ist egal. Ich weiß nichts über Musik, Simon. Darüber wie sanft ein Mann die Tasten berühren kann.« Ein leises, glucksendes Lachen sprudelte aus ihr heraus. »Mir genügt es, wenn er die richtigen berührt.«
    »Aber du weißt zahllose Dinge, die ich nicht weiß«, sagte er schnell. »Wir können voneinander lernen, Nell.«
    Sie schüttelte den Kopf. Er wusste immer das Richtige zu sagen. Daraus bestand sein Charme. Eine Stimme in ihrem Bauch sagte ihr, dass sein Charme nicht leer war, dass er meinte, was er sagte.
    Jetzt meinte er es. Aber würde das immer so sein?
    Sie wandte sich ihm wieder zu, legte den Kopf an seine Brust und atmete den Duft der Stärke, die Zitrusnote seines Eau de Cologne und den Geruch seiner Haut. Sie wollte ihm so sehr glauben. Es war fast schmerzhaft, das Bedürfnis ihm zu glauben.
    Er legte die Arme um sie, und das Gefühl war wie ein Wunder. Plötzlich begriff sie, wozu Gott Arme gemacht hatte.
    Ihr kam der Gedanke, dass es vergebliche Mühe war, auf ihr Herz aufzupassen. Sie hatte es bereits verloren.
    Ein Klopfen drang in die Stille. Sie spürte, wie Simons Kinn durch ihre Haare streifte, als er den Kopf in Richtung Geräusch drehte.
    Nell biss sich auf die Lippen. Sie kannte die Quelle dieses Klopfens. Jemand hatte Hunger draußen in der Nacht. »Gib ihm eine Münze«, flüsterte sie. Seine Brust vibrierte an ihrem Ohr, als er sprach. »Ich trage keine bei mir.«
    Sie öffnete die Augen. Der Zorn stieg so rasch in ihr hoch, ihr war sofort klar, dass er nur auf die erstbeste Gelegenheit gewartet hatte. Es war so viel einfacher, zornig zu sein als zu hoffen.
    Sie entzog sich ihm mit einer einzigen ruckartigen Bewegung und griff nach ihrem Pompadour, den sie auf der Bank gegenüber abgelegt hatte. Eine Lady sollte eigentlich nichts bei sich tragen außer einem Taschentuch, Riechsalz und vielleicht einem Fläschchen Parfüm. Sie wühlte darin nach den Münzen, die Simon ihr lachend überreicht hatte, als sie nach ihrem Gewinn aus der Billardwette gefragt hatte. Ohne ihn anzusehen, riss sie das Fenster auf und warf das Geld hinaus.
    Die Bettlerin hatte graues Haar und ihr Gesicht war gezeichnet vom Alter und vielen Sorgen. Über den knochigen Schultern trug sie einen fadenscheinigen Schal. Sobald die Kutsche vorwärtsschwankte, konnte Nell ihren Kopf nicht mehr sehen. Sie hatte sich hingekniet, um nach den Münzen zu suchen.
    Nell sank auf die Bank, auf der ihr Pompadour gelegen hatte, Simon gegenüber. Der starrte sie an, als hätte er gerade eine unglaubliche Entdeckung gemacht.
    »Du trägst Geld bei dir?«, fragte er.
    Ja, und ich bin auch schon auf Knien herumgekrochen,
dachte sie.
Ich habe nach Münzen gesucht, die eine schöne Frau mir hingeworfen hat.
Kurz bevor sie angefangen hatte zu stehlen.
Ich habe im Dreck gewühlt und ich will verdammt sein, wenn ich nicht immer eine Münze dabeihabe, solange ich eine besitze.
    Es gab so viel, das er nicht wusste und das sie ihm nie erzählen könnte. Hundert oder mehr Dinge tummelten sich plötzlich in

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