Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
Vom Netzwerk:
blickte die Gasse hinunter, aber der Schlamm nahm kein Ende. »Muss ein ziemlich großes Rohr gewesen sein.«
    »Überrascht dich das?«
    Die Wut in ihrer Stimme machte ihn ratlos. »Meinst du die Größe? Oder die Tatsache, dass es kaputt ist?«
    Sie schnaubte ungeduldig. »Egal. Der Schlamm erfüllt seinen Zweck, macht das Hinknien ein wenig weicher für die Knie.«
    Er runzelte die Stirn. Musste er jetzt verstehen, warum man sich hinknien musste? Ihr versteinertes Gesicht lieferte ihm keinen Hinweis auf ihre Gedanken.
    »Im Mile End Way gibt es das gleiche Problem«, fuhr sie fort. »Erinnert mich daran, dass einer von deinen Leuten mal so freundlich war, mir eine Münze vor die Füße zu werfen. Ich stand bis zu den Knien im Schlamm und musste suchen, wohin sie gefallen war.«
    Aha. »Ich verstehe«, sagte er ruhig. Das erklärte zweifellos ihre Reaktion auf die Bettlerin, der sie nach Lady Allentons Gesellschaft begegnet waren.
    »Ich sollte wohl dankbar sein, dass ein paar der vornehmen Leute Bargeld dabeihaben«, sagte sie. »Sonst hätte ich umsonst im Dreck gewühlt.«
    Sie funkelte ihn an, als hätte er selbst jene Münze geworfen. »Und dann hast du mich kennengelernt«, sagte er langsam. »Und jetzt brauchst du dir um diese Dinge keine Sorgen mehr zu machen.«
    Ihr Gesicht war rot angelaufen. »Soll ich dir dankbar sein?«
    »Nein«, sagte er, aber so langsam war er auch gereizt. Wenn er ihr irgendetwas getan hatte, würde er es gern erfahren. Soweit er wusste, war er jedenfalls nicht ihr Feind.
    »Du erwartest sicher Dankbarkeit von mir. Es hat mich wirklich vorwärtsgebracht, dass ich dich geheiratet habe. Stell dir vor, bevor du mir Beachtung geschenkt hast, musste ich mit Ratten um mein Brot kämpfen. Einmal wollte ich sogar eine kochen, nur dass Suzie gesagt hat, ich könnte krank davon werden. Und, wie findest du das?«
    Simon blieb stehen und starrte sie durch das kärgliche Sonnenlicht an, das die stinkende Dämmerung durchdrang. »Worum in Gottes Namen geht es eigentlich, Nell?«
    Ihr Lachen klang schrill und wild. »Worum es geht? Habe mir schon gedacht, dass du dich das fragst – ich wette, du hättest nie gedacht, dass du mal eine Frau heiratest, die Ratteneintopf gegessen hat! Und wo diese Geschichte herkommt, gibt es noch mehr,
Eure Lordschaft
. Was ist zum Beispiel mit dem Winter, als mein Stiefbruder sich angepinkelt hat, um sich warm zu halten? Ich war echt neidisch, wie gut er zielen konnte. Was denkst du jetzt über deine Frau?«
    Seine Verblüffung war für einen Augenblick zu groß, um irgendetwas zu begreifen. Bevor ihm eine Entgegnung einfiel, war sie an ihm vorbei ein paar Stufen hinaufgerannt und hatte mit ihrer Schulter eine Tür aufgestoßen.
    »Nell«, sagte er, als er ihr nachlief – fand sich jedoch allein in einem kleinen Treppenhaus wieder. Eine durchhängende Treppe, der er sein Körpergewicht unter normalen Umständen lieber nicht zugemutet hätte, führte nach oben.
    Nell war vorgegangen, und er folgte ihr. Auf dem ersten Absatz machte er den Fehler, die Hand auf das Geländer zu legen. Das ganze Ding wackelte, und ihm entfuhr ein ungläubiges, unglückliches Lachen.
    Als er um die Ecke kam, starrte sie zu ihm herunter.
    »Wenn du fällst«, sagte sie, »kommt übrigens kein Arzt. Ich habe einmal einen ganzen Monat lang gestohlen, um einen Doktor zu bezahlen. Und trotzdem erklärte er sich nur bereit, meine Mum in der Kirche zu treffen.«
    Zur Hölle mit dieser Behandlung. Er hatte nichts getan, um diese Verachtung zu verdienen. »Sie würden kommen«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Für den Earl of Rushden würden sie zu jedem Ort auf der gottverdammten Welt kommen. Und wahrscheinlich macht dich das umso wütender.«
    Ihr Gesicht war kreideweiß. Sie wirbelte herum und lief weiter die Treppen hinauf. Auf dem nächsten Absatz schlug sie mit der Faust gegen die erste Tür, die sich sofort öffnete.
    Eine kleine, schlanke, silberhaarige Frau trat lächelnd heraus. »Nell!«, rief sie. »Was für eine Wohltat für meine armen Augen!«
    Er blieb auf der obersten Stufe stehen, als seine Frau sich der Fremden in die Arme warf. Der Anblick des angespannten Gesichts, das sie am Busen der älteren Frau verbarg – die Heftigkeit, mit der sie die Arme um sie schlang –, löste eine kalte Vorahnung in ihm aus. Sie sah … niedergeschmettert aus.
    Und was auch immer sie quälte, hatte nichts mit Bethnal Green zu tun. Sein Bauchgefühl informierte ihn, dass nur er

Weitere Kostenlose Bücher