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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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ignorierte Hannahs Protest und fuhr fort: »Das ist wirklich eine sehr glückliche Entwicklung, genau wie Sie sagen.«
    »Aber ich traue der Sache trotzdem nicht«, sagte Nell zu Hannah. »Wenn dieser Löffel Mum gehört hat, hätte er gewusst, was es bedeutet. Er hätte sehr viel mehr aus mir herausquetschen können.«
    Hannah öffnete die Lippen, schwieg jedoch einen Augenblick. Dann sagte sie zögernd: »Zehn Pfund, Nellie. Das ist nicht wenig.«
    Nell spürte, dass sie eine Gänsehaut bekam. »Natürlich.« Sie warf Simon einen schnellen, beschämten Blick zu und erwartete einen Ausdruck von Selbstgefälligkeit: Etwas Ähnliches hatte er auch einmal zu ihr gesagt.
    Aber sie sah etwas vollkommen anderes in seinem Gesicht.
    Rasch wandte sie den Blick ab und starrte auf ihre Hände in ihrem Schoß. Das Blut pochte ihr bis in die Wangen. Dieser verständnisvolle Blick war viel schwerer zu ertragen als ein Grinsen. Nell fühlte sich bloßgestellt – und ertappte sich bei dem sonderbaren Gedanken, dass er sie besser verstand, als sie angenommen hatte.
    Aber es war egal. Wenn er sie wirklich verstehen würde, dann hätte er sie niemals angelogen. Er wäre offen zu ihr gewesen, anstatt sie mit Lügen in sein Bett zu locken.
    »Nun«, sagte Simon. Er schob den Löffel in seine Jackentasche und fragte dann nachträglich: »Darf ich das für dich aufbewahren?«
    Nell realisierte, dass die Frage an sie gerichtet war. Selbstherrlich, sogar wenn er sich von seiner besten Seite zeigte. »Nur zu«, sagte sie.
    Sein zaghaftes Lächeln traf sie wie ein Messer. Ihr verräterisches Herz zitterte. Wie wunderschön war ihr das Leben vorgekommen, als sie noch glaubte, sie würden es gemeinsam verbringen.
    Oh Gott, sie war schwach! Plötzlich bekam sie Angst bei der Vorstellung, wieder mit ihm in der Kutsche zu sitzen. Er würde erneut fragen, was sie quälte. Er würde immer wieder fragen, und sie wusste selbst, dass sie am Ende nachgeben und sich fügen würde. Sie war so nah dran gewesen, ihn ganz zu lieben. Jetzt waren ihre Gefühle wie ein Riss, der mitten durch sie hindurch verlief. Wenn er ihr zu nahe käme, wenn er ihr nur einen einzigen Schlag versetzte, würde sie entzweibrechen.
    Sobald die Sache mit dem Löffel erledigt war, widmeten die Damen sich ihrem Tee und plauderten, sprachen ungezwungen über die Neuigkeiten, die sich während Nells langer Abwesenheit ereignet hatten. Simon lauschte mit wachsender Fassungslosigkeit.
    Harry Connor hatte einen Finger in der Schneidemaschine verloren. David O’Riordan war von den Bullen aufgegriffen worden, weil er sturzbetrunken auf der Straße gelegen hatte, seine Frau war in den Pub heruntergekommen und hatte sich gleich mit drei Männern für draußen in der Gasse verabredet, damit sie ihm Geld schicken konnte. Ein Weber hatte einen seiner Lehrlinge beim Stehlen erwischt und ihn mit der Peitsche auf die Straße gejagt. Ein paar Prügel hätten niemanden aufgeregt, aber der Weber hatte nicht einmal aufgehört, als Blut floss. Alle Frauen liefen runter auf die Straße, um ihn zu stoppen, aber dann hatte der Dieb sich nicht entschuldigt, was nicht richtig war, oder? Und schließlich hatten Peggy Hart und die Miller-Zwillinge beschlossen, ihm zusätzlich noch ein paar Ohrfeigen zu verpassen.
    Krisen und ihre Lösungen, Gerechtigkeit und gelegentliche, herzzerreißende Grausamkeiten der Straße, alles erzählt im fröhlichen Ton harmlosen Klatsches.
    Er sah zu seiner Frau, die schwach lächelte, nickte, um zu zeigen, dass sie zuhörte, und unverwandt seinem Blick auswich. Sie war in dieser rauen Gegend aufgewachsen, hatte sich vor der Faust ihres Stiefbruders geduckt und an einem Ort gearbeitet, wo Männer ihre Finger verloren, um ihre Familien zu ernähren. Und irgendwie hatte sie sich mitten in dieser furchtbaren Welt zu einer starken, ehrlichen, intelligenten Frau entwickelt.
    Seine Wut verpuffte einfach und ließ ihn vollkommen leer zurück.
    Eine halbe Stunde später wurde das Gespräch ruhiger, und seine Frau schien sich an seine Gegenwart zu erinnern. Sie stand auf, aber als er sich ebenfalls erhob, sagte sie: »Ich bleibe heute Nacht hier.«
    Die Worte schienen sie genauso zu erschrecken wie ihn – und ihre Freundinnen, die einen vielsagenden Blick wechselten.
    »Nein«, sagte er. Auf keinen Fall würde er sie in dieser gottverlassenen Gegend allein lassen.
    Ihr Gesicht verdüsterte sich. »Nur diese Nacht«, sagte sie.
    Mit drei Schritten stand er neben ihr und nahm ihren

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