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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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nun ja, korrekt ausgedrückt seine – Sachen einpacken könnte. »Ich gehe dann«, sagte sie. »Würde nur kurz noch den«, sie räusperte sich, »Nachttopf benutzen.«
    St. Maur erhob sich ebenfalls. »Gewiss. Aber ich hoffe, dass Sie mir vorher gestatten, Ihnen das Haus zu zeigen.«
    Er sprach so höflich, als hätte er mit einer Lady von gleichem Stand zu tun. Nach einer Weile war es ein bisschen nervig, da er ihr ja offensichtlich nur etwas vormachte. »Ich kann Ihnen genau sagen, wie Ihr Haus aussieht«, sagte sie. »Ich bin gestern hier eingebrochen und muss Sie darauf aufmerksam machen, dass das Schloss an Ihrem Gartentor absolut wertlos ist. Der Rest ist ja ganz hübsch, man könnte einen Sommer lang ein paar Grafschaften damit ernähren, aber mehr brauche ich nicht zu sehen.«
    Er nickte. »Nur eine Sache. Eines möchte ich Ihnen zeigen, bevor Sie gehen.«
    Hoffentlich war es keine Waffe. »Sie gehören doch nicht zu den gefährlichen Verrückten, oder?«
    Seine Mundwinkel zuckten, als ob er ein Lächeln unterdrückte. »Ich hoffe doch nicht. Würden Sie sich sicherer fühlen, wenn ich Ihnen Ihr Messer zurückgebe?«
    »Und die Pistole«, sagte sie prompt. Sie musste sie zu Brennan zurückbringen.
    Aber nein: »Die Pistole bewahre ich für Ihren nächsten Besuch auf«, sagte er und machte auf dem Absatz kehrt. »Zwei Minuten, Nell. Ich warte draußen.«
    Er schloss die Tür hinter sich. Sie rannte zur Matratze und riss das Spitzendeckchen heraus. Das Buch passte um einen Zentimeter nicht in die Innentasche ihrer Jacke, genauso wenig wie die Kerzenständer. Verdammt. Sie stellte sie an ihren Platz zurück und schnappte sich dafür schnell die Leinenserviette vom Tisch und auch Gabel und Messer. Die waren schwer genug, um aus Silber zu sein. Eine wertvolle Minute verschwendete sie mit dem Versuch, den bestickten Stoff vom Hocker zu lösen, aber er war zu dick und sie konnte nicht hineinschneiden.
    Die Hausführung. Vielleicht konnte sie im Vorbeigehen ein paar Sachen einstecken. Nell stopfte das Besteck in die Tasche und eilte aus der Tür. St. Maur stand ein paar Schritte weiter im Flur und betrachtete träge eine Steinbüste von einem hässlichen, großnasigen Mann mit Perücke. »Ist Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte sie, als sie bei ihm angekommen war.
    »Sehr freundlich von Ihnen«, sagte er trocken und ging weiter.
    Nach kurzem Zögern folgte sie ihm. Er bewegte sich so geschmeidig und lässig wie ein Kater, die Hände in den Taschen. Ein so glänzendes und teures Exemplar eines Gentlemans hatte sie noch nie leibhaftig gesehen. Den sollte mal jemand fotografieren. Bei den Damen würde er sich bestimmt gut verkaufen. Er sah über die Schulter zurück und ertappte sie dabei, wie sie ihn anstarrte. Mit gerunzelter Stirn sah sie weg – und betrachtete aufmerksam ihre Umgebung.
    Trotz ihrer Prahlerei hatte sie letzte Nacht viel zu viel Angst gehabt, um Einzelheiten wahrzunehmen. Der Flur war einfach … unverschämt schön. Die Täfelung hatte eine geschnitzte Zierleiste. In den rotbraunen Teppich waren in feiner Arbeit goldene Blumen eingewebt. Messingleuchter glänzten an den Wänden. In der Luft lag ein balsamischer Wohlgeruch nach Wachs und Zitronen. Es roch nach etwas Gutem, das man gern kaufen würde. Ein Duft, der einen in unruhigen Nächten in den Schlaf lullen würde.
    Kein Wunder, dass er so lässig ging. Wahrscheinlich hatte er nie eine Sorge gekannt.
    Zu ihrem Ärger entdeckte Nell nichts, das klein genug war, um es einzustecken. »Was wollen Sie mir denn zeigen?«
    »Nur ein, zwei Briefe.«
    »Briefe?« Sie warf ihm einen schrägen Blick zu. »Ich hätte etwas Aufregenderes erwartet.« Oder etwas Wertvolleres.
    Er zuckte mit den Schultern. »Sie werden sie aufregend genug finden.«
    »Das bezweifle ich.«
    Plötzlich blieb St. Maur stehen, offensichtlich war ihm ein Gedanke gekommen. »Ich muss Sie um Verzeihung bitten. Falls Sie nicht lesen können …«
    »Ich kann lesen«, fiel Nell ihm ins Wort. »Und wissen Sie, warum ich es gelernt habe? Damit niemand mir etwas vorliest, was nicht dasteht. Diesen Trick können Sie also vergessen.«
    Er schenkte ihr die Sorte Lächeln, das sie bei müden Müttern mit aufsässigen Kindern beobachtet hatte: ohne Gefühl dahinter. »Ich nehme das zur Kenntnis«, sagte er, als er weiterlief.
    Nell rollte mit den Augen und ging ihm nach.
    Als sie um eine Ecke bogen, öffnete sich der Flur zu einer breiten Galerie. Zu beiden Seiten führten

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