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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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zu tun geben.«
    Nachdenklich sah er sie an. »Sie meinen, Sie würden es ausräumen? Nein, nein, Sie bräuchten in diesem Szenario kein Geld. Sie wären selbst wohlhabend.«
    Aber sicher doch! Dieser Typ hatte definitiv nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Hört sich großartig an«, sagte sie vorsichtig. »Warum geben Sie mir nicht schon einmal einen Vorgeschmack? Sagen wir fünf Pfund, nur um auszuprobieren, wie es sich anfühlt.«
    »Das lässt sich machen«, sagte er. »Aber dazu wäre eine Vereinbarung zwischen uns vonnöten.«
    Klar. »Lassen Sie mich raten. Hat diese Vereinbarung etwas damit zu tun, dass ich die Röcke hebe?«
    »Oh nein«, sagte er sanft. »Meine Liebe, ich möchte Ihnen nur zu Ihrem wahren Platz in der Welt verhelfen. Zu Ihrem rechtmäßigen Erbe.«
    »Erbe«, sagte sie ausdruckslos.
    »Genau«, gab er zurück.
    Er redete wirres Zeug. »Und was sollte das sein?«
    »Fragen Sie zuerst, wer. Da ist einmal Ihre Zwillingsschwester: Lady Katherine Aubyn.«
    Ihre Kinnlade fiel herunter. Das Mädchen auf der Fotografie im Schaufenster? Eine Halbschwester, ja, aber ein Zwilling? Das würde ja bedeuten …
    Ein Grinsen zuckte in ihren Mundwinkeln. »Hätte nicht gedacht, dass Sie Sinn für Humor haben.«
    »Wie kurzsichtig von Ihnen«, gab er zurück, klang jedoch nicht beleidigt. »Aber ich mache keine Witze.«
    Nein, das sah Nell jetzt, er machte keine Witze. Bei ihm rappelte es im Oberstübchen. Er war total verrückt.

4
    Nachdem Nell eben gelacht hatte, bis ihr die Wangen schmerzten, setzte sie sich nun an das beste Frühstück ihres Lebens. St. Maur wollte ihr schon einmal alles erklären, aber sie wusste nur zu gut, wie ermüdend Verrückte waren, wenn man sie ermutigte, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen – nicht umsonst war sie bei ihrer Mum aufgewachsen –, und so wedelte sie nur mit der Hand und konzentrierte sich aufs Essen.
    Essen? Nein, das war ein viel zu gewöhnliches Wort für das, was man ihr vorgesetzt hatte. In Bethnal Green würde man es einen Genuss nennen, aber sie ertappte sich dabei, wie sie nach Worten suchte, die sie bisher niemals gebrauchen konnte. Worte aus den Büchern, die sie Mum immer vorgelesen hatte:
himmlisch
,
ergötzlich
,
deliziös
. Sie verschwendete keine Zeit damit, das Frühstück lange zu bewundern. Lieber wollte sie es schnell in den Magen bekommen, bevor St. Maur noch einfiel, dass er gern etwas abhätte.
    Keine schwere Aufgabe. Sie begann mit den Stachelbeer-Scones und häufte dick Sahne obendrauf. Dann ging sie zu Toast-Ecken mit Butter und Erdbeermarmelade über, dann zu gekochten Eiern und einer Wurst, die nach einem grasartigen, aber leckeren Gewürz schmeckte. Den Kaffee kippte sie direkt hinunter, am Tee nippte sie immer wieder zwischendurch, und die Schokolade – oh heilige Mutter Gottes, die Schokolade stellte sie nach einem einzigen Schluck wieder weg. Sie erkannte eine Dummheit, wenn sie sie probierte.
    St. Maur schenkte sie während des gesamten Festmahls keine Beachtung. Er hingegen sah sie die ganze Zeit an, als hätte sie ihn nicht gerade einen Verrückten genannt oder ihm befohlen, den Mund zu halten. So geduldig war nur eine Katze, die vor einem Mauseloch wartete und sich lediglich von Zeit zu Zeit das hübsche, saubere Fell leckte. Sein Blick wurde immer finsterer, während sie weiteraß. Fast hatte sie das Gefühl, dass seine hübschen Manieren nur eine Maske waren – eine Maske, die man besser nicht lüftete.
    Am Ende, als kein einziger Krümel mehr übrig war, wischte sie sich die Finger ab und faltete die Serviette zusammen – echtes, besticktes Leinen, aber da er sie keine Sekunde aus den Augen ließ, konnte sie sie schlecht einstecken. Sie holte Luft. »Nun, vielleicht muss ich nach Hause rollen, aber ich werde Sie lächelnd verlassen.«
    »Die Schokolade hat Ihnen nicht geschmeckt?« Das Finstere war jetzt auch in seiner Stimme zu hören. Irgendetwas hatte ihn verärgert. Aber was auch immer es war, es kümmerte sie herzlich wenig.
    Nell hob das Kinn. »Nein.« Die Schokolade war himmlisch, aber wenn sie sie ausgetrunken hätte, könnte sie den Geschmack nie vergessen und würde ihr Leben lang mehr davon wollen. Es war nicht gut, etwas zu begehren, was man nicht haben konnte. Was Nell nicht kannte, würde sie auch nicht vermissen.
    Und aus diesem Grund, dachte sie beim Aufstehen, war es das Beste, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. St. Maur musste nur für eine Minute den Raum verlassen, damit sie ihre –

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