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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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lag, die Tochter seines Vorgängers zu schänden.
    Der Gedanke daran erfüllte ihn mit einem warmen Gefühl, das für seinen Aufenthalt im Jenseits nichts Gutes verhieß.
    Sie ging zurück und ließ sich in einen gepolsterten Lesesessel fallen. Unwillkürlich wanderte seine Augenbraue nach oben. Die heftige Bewegung und die ebenso heftige Wirkung, die diese auf ihre Anatomie hatte, ließen keinen Zweifel daran, dass sie kein Korsett trug.
    Gütiger Gott
. Sie trug Männerhosen, roch nach Tabak, Fisch und Zwiebeln. Natürlich trug sie kein Korsett.
    Er ertappte sich dabei, wie er leise lachte, als sie ihm noch einen dieser Blicke zuwarf. Mit aufgerissenen Augen und fast etwas mitleidig. Sie hielt ihn wirklich für verrückt. Das konnte man ihr kaum vorwerfen. Anscheinend war er nicht ganz bei Trost.
    »Was ist denn jetzt mit dem Brief?«, krächzte sie.
    »Richtig.« Er durchquerte den Raum und zog eine Ausgabe von Homers
Odyssee
aus dem Regal. Der erste Brief, der zwischen den Seiten steckte, war mit der Zeit weich geworden, weil immer wieder jemand mit den Fingern darübergestrichen hatte. In den letzten Jahren hatte sich der alte Mann nicht mehr so gut konzentrieren können, aber seine beiden Obsessionen hatte er mit der gewohnten Klarheit verfolgt: Simon Steine in den Weg zu legen und Cornelia zu finden.
    Simon focht eine kurze Debatte mit sich aus, während er wieder zu ihr ging. Wahrscheinlich würde sie es nicht zugeben, falls sie nicht gut lesen konnte. Sie hatte deutlich gesagt, dass sie stolz war. Aber wenn sie die Briefe nicht verstand, würde er sie ohne Zweifel verlieren. Ihr Misstrauen ihm gegenüber war mindestens genauso groß wie ihr Interesse an Geld, wenn nicht größer. Sie würde ohne einen Blick zurück hinausspazieren und sich später sagen, dass es das Beste gewesen war, um nicht ins Gefängnis zu kommen.
    Aber sie zu verlieren war kein akzeptables Ergebnis. Sie gegen ihren Willen hier festzuhalten könnte im Hinblick auf das größere Ziel allerdings problematisch werden.
    Simon ignorierte, dass sie ungeduldig eine Hand ausstreckte, und lehnte sich an den Rand des schweren Tisches. »Der erste ist von Jane Lovell«, sagte er.
    »Von wem?«
    Das Licht fiel von oben in einem bestimmten Winkel auf ihr Gesicht, und die Sommersprossen und die steile Sorgenfalte auf ihrer Stirn verschwanden. Sie sah mädchenhaft aus. Unschuldig. Wahrscheinlich war sie auch unschuldig, zumindest in jeder Weise, die in diesem Augenblick von Bedeutung waren. Plötzlich spürte er, dass der Moment heikler war, als er sich vorgestellt hatte.
    Der kurze Anfall von Mitleid irritierte ihn. Letzte Nacht hatte er stundenlang wach gelegen und über sein Glück gestaunt. Einem Geschenk des Himmels gleich war sie ihm einfach in den Schoß gefallen, und um nichts in der Welt – am wenigsten wegen ihr – würde er diese Gelegenheit verstreichen lassen. Mitleid war nicht nur unnötig, es war noch dazu vollkommen scheinheilig.
    »Ich glaube, es war die Frau, die Sie aufgezogen hat«, sagte er. »Aber vorher war sie die Kammerzofe Ihrer Mutter. Die Kammerzofe der Countess of Rushden.«
    »Sprechen Sie weiter.«
    Ihr Gesicht war eine Maske, so wenig gab es preis. Als er jetzt fortfuhr, beobachtete er sie, achtete wachsam auf den geringsten Riss in ihrer Selbstbeherrschung. »Diese Frau hat Sie Ihren Eltern gestohlen. Anscheinend hatte sie eine Affäre mit Ihrem Vater – oder eher gesagt ein einmaliges Zusammentreffen. Seinen Angaben nach war es kein längeres Arrangement.«
    Sie stieß einen leisen und unfeinen Laut aus, der klang, als würde er aus ihrer Nase kommen. Als sie die Lippen verzog, erkannte er Verachtung. »Einmaliges Zusammentreffen«, sagte sie. »Wahrscheinlich Ihr hübsches kleines Wort für Vergewaltigung.«
    »Nein«, sagte er. »Dergleichen habe ich nie gehört.«
    »Klar haben Sie das nicht.«
    Ihre Worte hatten einen höhnischen Beigeschmack. Eine plötzliche Erkenntnis entlockte ihm ein Lächeln: Diese Situation war auf einzigartige und großartige Weise ironisch. Wehrlose Frauen waren überhaupt nicht sein Typ, aber wenn herauskam, dass ein Gassenmädchen bei ihm die Nacht verbracht hatte, wäre niemand überrascht. Angenehm erregt vielleicht, aber nicht erstaunt.
Er ist unverbesserlich
, würde man in seinen Kreisen sagen und sogar den Kopf schütteln, während man ihm unbekümmert weiter Einladungen zum Dinner schickte.
    Cornelias eigener Vater hatte Geschichten von Simons Großtaten verbreitet und damit

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