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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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wie eine warme, stützende Hand im Rücken, die sie aufrecht hielt, während die Schmetterlinge im Bauch wieder losflatterten. »Er ist … clever«, sagte sie. »Aalglatt.« Natürlich war er mehr als das. Die Augen eines Magiers, der Mund des Teufels. Lächeln, das kam und ging wie Quecksilber.
    Er hatte sie geküsst. Wenn sie seinem Plan zustimmte, würde er mehr wollen.
    »Es wird nicht zu einer Hochzeit kommen«, sagte sie.
    Skeptisch legte Hannah den Kopf schief. »Jedenfalls sieht er nicht böse aus.«
    »Nein. Ich weiß nicht.« Bisher hatte er sie nicht bedroht, aber ein Mann seiner Sorte hatte wahrscheinlich raffiniertere Methoden, um jemanden zu schikanieren. »Das werde ich wohl herausfinden.«
    Das gefiel Hannah gar nicht. »Wenn er böse wäre, würdest du die Kleider liegen lassen und wegrennen.«
    Nell verzog den Mund. Leicht gesagt für Hannah. Sie hatte eine Familie, die sie liebte und immer unterstützen würde. »Die Kleider nehm ich auf jeden Fall mit«, sagte sie trocken.
    Ihre Blicke trafen sich und sie lachten.
    »Ein violettes«, sagte Hannah nach einer Weile sehnsüchtig. »Du musst unbedingt ein violettes haben – so eins, wie wir damals bei Brennan gesehn haben.«
    Jenes Kleid war herrlich gewesen, aber zu teuer, um es überhaupt nur anzufassen. »Ja«, sagte Nell. »Und ein Paar weiße Handschuhe, neu und ungetragen.«
    »Ungetragen«, hauchte Hannah.
    »Und Seidenstrümpfe. Warum nicht? Und ein neuer Unterrock …« Nell verstummte. »Ich muss das einfach tun. Es ist eine Chance, oder? Die muss ich nutzen.«
    Hannah sah auf das Taschentuch. »Selbst wenn du nur zehn mehr von diesen …«
    »Behalt es.«
    »Nein, das könnte ich nicht!«
    Nell schenkte ihr ein schiefes Lächeln. »Doch, du kannst.« Dann griff sie in ihre Jacke und holte die Zehnpfundnote aus der einen und Gabel und Messer aus der anderen Tasche. »Bewahre auch das für mich auf. Wenn ich in zwei Wochen nicht zurück bin, gehören sie dir.«
    »Oh mein Gott.« Mit zitternden Händen nahm Hannah das Diebesgut in Empfang. »Das ist … das ist ein Vermögen! Und die – sind die aus Silber?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Aber … ich kann das nicht annehmen, Nell!«
    Nell atmete tief ein. »Wenn alles gut geht«, sagte sie, »komme ich mit Sachen zurück, die hundert Mal so viel wert sind oder mehr.« Die Vorstellung erschreckte sie. »Hundert Mal so viel«, flüsterte sie. »Plus die Kleider.«
    Hannah und sie starrten sich in verwundertem Schweigen an.
Hundertmal, plus die Kleider.
Nach diesen Worten gab es nicht mehr viel zu sagen.

6
    Die Räume, die St. Maur ihr überlassen hatte, waren doppelt so groß wie ihre Wohnung in Bethnal Green.
    Nell stand in der Mitte des Schlafzimmers neben einem langen Sofa ohne Armlehnen, das sich der Länge nach an das Fußende des Bettes schmiegte. Die Stille im Haus war gespenstisch. Man hörte nichts außer dem entfernten Ticken der Uhr im Gang.
    Sie drehte sich halb um. Die Matratze war groß genug für vier. Eine bestickte Tagesdecke aus blasser, graugrüner Seide lag darüber. Hübsche Farbe. Passte beinahe zu den Augen seiner hochwohlgeborenen Lordschaft.
    Bei diesem Gedanken zog sich ihr der Magen zusammen. Sie wollte ihn nicht mögen, aber für Hannahs Freiheit schuldete sie ihm etwas, und das wusste er. Als Nell in Begleitung seiner Haushälterin die Treppen hochgestiegen war, hatte er unten gestanden und zugesehen. Und sein Lächeln hatte etwas mehr als nur erfreut gewirkt. Es war selbstgefällig.
    Nell wusste nicht, was er mit ihr vorhatte. Sie hatte keinen blassen Schimmer, was im Kopf eines reichen Mannes vor sich ging. Aber sie kannte eine Handvoll gut aussehender Jungen, und sobald sich so ein Lächeln auf ihren Gesichtern zeigte, musste ein Mädchen sich in Acht nehmen.
    Sie schlang die Arme um sich. Lieber wollte sie jetzt nicht an ihn denken. Stattdessen bewunderte sie die Kissenbezüge, weißer als Wolken und passend bestickt, die sich wundervoll anfühlten und deren Schönheit nur für den Kopf bestimmt war, der sich darauf bettete. Überall gab es weiße Sachen, Spitzendeckchen, Laken und St. Maurs Halsbinde, die wahrscheinlich im Dunkeln leuchtete. Wundern würde es sie jedenfalls nicht.
    Vielleicht mochte er Weiß, um zu demonstrieren, wie perfekt seine Bediensteten es sauber hielten. Und was im übrigen London weiß genannt wurde, war im Vergleich eigentlich grau, das war wohl klar.
    Sie ging auf den Sitz am Fenster zu, blieb aber nach einem Schritt stehen. Der

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