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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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Kreisen passt, ist also nicht Heuchelei, sondern einfach eine vernünftige Strategie. Dienstboten gegenüber ist das nicht notwendig: Die Diener beurteilen ihre Arbeitgeber nach anderen Gesichtspunkten, ihre Erwartungen sind eher finanzieller Natur.«
    »Gut«, murmelte sie. »Wenn das für Sie funktioniert, meinetwegen. Ist Ihre Show, nicht meine.«
    »Aber es ist auch Ihre Show«, sagte St. Maur. Seine Stimme klang plötzlich abgehackt. »Es ist immer eine Show, Nell – das gilt für uns alle. ›Die ganze Welt ist eine Bühne‹, wie Shakespeare schrieb.«
    »Er schrieb auch, das Leben sei ein von einem Idioten erzähltes Märchen, das nichts bedeutet«, feuerte Nell zurück. »Wenn das stimmt, kann ich mir gleich ein Grab suchen gehen.«
    »Aber warum? Warum muss man das alles hier mit einer größeren, edleren Bedeutung rechtfertigen?« Frustriert verzog er seitlich den Mund. »Vergessen Sie nicht, dass der einzige und nicht besonders geheimnisvolle Sinn dieser Übung ist, reich zu werden. Ihr Ziel ist Geld – nichts Erhabenes. Aber sobald Sie es haben, wird es Ihnen einige Vergnügungen garantieren. Genügt das nicht?«
    Sie starrte ihn an. »Nein«, sagte sie. »Tut es nicht.« Bevor sie hergekommen war, bevor sie erfahren hatte, was es bedeutete, privilegiert zu sein, hatte sie nicht gewusst, wie weit nach unten Leute von St. Maurs Stand blicken mussten, um Leute wie Nell überhaupt zu sehen. Und das hier war in seinen eigenen Worten die Philosophie, mit der diese Leute rechtfertigten, einfach nicht nach unten zu blicken. »Geld ist keine Tugend. Es sollte nicht das Ziel an sich sein.« Sie stieß ein trockenes, kleines Lachen aus. »Genauso wenig wie Vergnügen. Wenn Sie Ginsüchtige kennen würden, würden Sie das begreifen.«
    Er schob die Hände in die Taschen. »Sie sind sehr streitbar in Ihren Ansichten. Das muss ermüdend sein.«
    »Es ist nur ermüdend, weil alle glauben, dass ich überhaupt keine Ansichten haben sollte.«
    »Ich hoffe nicht, dass auch ich diesen Eindruck erwecke«, sagte er nach einer Pause. »Sie sind sehr scharfsinnig.«
    »Das weiß ich.« Trotzdem stimmte das Kompliment sie unfreiwillig milder. Wenn man ständig von Lehrern hin- und hergeschubst und wie ein dickköpfiges Kind behandelt wurde, kam man schon mal auf den Gedanken, von aller Welt für einen Einfaltspinsel gehalten zu werden.
    Er lächelte schwach. »Sie haben also etwas Bestimmtes mit dem Geld vor?«
    Bisher hatte sie nicht wirklich darüber nachgedacht. Es war sinnlos, von Wundern zu träumen, die wahrscheinlich sowieso nicht wahr wurden. Aber ihr fiel sofort eine Antwort auf die Frage ein. Sie wusste genau, was sie täte, wenn sie ein Vermögen zur Verfügung hätte. »Ich würde die Fabrik kaufen, in der ich gearbeitet habe.«
    Simons Lächeln wurde breiter. »Wirklich? Nun, Rache ist süß.«
    Nell runzelte die Stirn. »Nicht aus Rache. Um sie zu verändern. Die Arbeiter dort brauchen Fenster.«
    »Sie sind eine Reformerin?« Er hob eine Augenbraue. »Sie, die Anklägerin von Weltverbesserern? Darin liegt eine ganz köstliche Ironie.«
    »Ich klage Weltverbesserer an, die nichts verbessern.« Auf die Schärfe in ihrer Stimme war sie selbst nicht gefasst. Langsam atmete sie durch. »Vielleicht bin ich ein bisschen durcheinander«, sagte sie entschuldigend. »Dieses Korsett quetscht mich noch zu Tode. Verdammt«, fügte sie hinzu. »Ich wette, ich darf auch nicht über Unterwäsche sprechen.«
    »Ganz genau«, gab er zurück, aber man hörte ihm an, dass er beinahe gelacht hätte. »Sehen Sie, Manieren kann man auf ein einfaches Prinzip reduzieren: Erwähnen Sie nichts, was irgendwie interessant sein könnte.« Er hielt inne, ganz offensichtlich war er von seiner eigenen Weisheit unerhört begeistert. Aber als er fortfuhr, durchbrach sein verschmitzter Tonfall diesen Eindruck. »Vielleicht ist es nobel von mir, meinen Bediensteten diese Langeweile zu ersparen.«
    »Anscheinend ist es Vorschrift, sich zu langweilen. Selbst dieser Tanz ist langweilig.«
    »Wirklich? Ich hatte immer Spaß beim Walzer.«
    Nell zuckte mit den Achseln. »Ich dachte, man tanzt, um die Musik zu genießen, nicht um sich die ganze Zeit Gedanken zu machen, welchen Abstand man zu der Person hat, die einen berührt.«
    »Ah. Dann ist nicht die Technik das Problem«, sagte St. Maur, »sondern Ihre Einstellung. Der Tanz ist ein langer Flirt – in ritualisierter Form natürlich.«
    Sie schnaubte. »Eine ungewöhnliche Art zu flirten, wenn man

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