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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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war.
    Es war unglaublich: Irgendwo in London schlief gerade ihre Schwester.
    Die heiße Spur einer Träne riss sie aus ihren Gedanken. Sie wischte sie mit dem Handrücken fort und schob gleichzeitig die hart erkämpfte Gewohnheit zu zweifeln und Dinge abzulehnen beiseite. Die sonderbare Wendung der Dinge schien wunderbar, weil sie wunderbar war. Alles war jetzt möglich.
    Plötzlich entfuhr ihr ein Lachen. Als sie sich in die Kissen fallen ließ, lachte sie wieder, nur wegen des Gefühls, des einfachen, glücklichen Gefühls zu glauben.
    Alles war jetzt möglich … selbst – Gott steh ihr bei – zu lernen, wie man Walzer tanzte.

10
    Im Büro des Erzbischofs von Canterbury gab es ein Klatschmaul. Als Simon die Sondergenehmigung für die Hochzeit beantragt hatte, war er gezwungen gewesen, den Namen seiner Braut preiszugeben. Und anscheinend hatte jemand die Neuigkeit ausgeplaudert. Keine vier Stunden, nachdem er die Genehmigung erhalten hatte, erreichte ihn auch eine Drohung – die ihm schweigend in Form eines unversiegelten Briefes von einem Gassenjungen überreicht wurde. Er erhielt sie, während er sich mit Harcourt eine Flasche Portwein genehmigte.
    Sie sind verrückt. Ich warne Sie: Dieser Schwindel wird nicht geduldet. Sie sind längst reif für Ihre wohlverdiente Strafe.
    Der Autor war zu feige, um mit seinem Namen zu unterschreiben, aber Simon erkannte die Schrift. Über die Jahre hatte er zahllose Briefe von seinem Vormund erhalten, sämtlich in Grimstons hölzerner Schrift geschrieben. Zuerst hatte er sie sogar gelesen. Später dann hatte er entdeckt, wie großartig man damit das Kaminfeuer anzünden konnte.
    Lächelnd faltete er den Brief wieder zusammen. Von den vielen Vorteilen, die eine Heirat mit Nell Aubyn ihm brachte, war der süßeste, Grimston zu verärgern.
    »Ich komme nicht darüber hinweg.«
    Simon sah Harcourt über den Tisch hinweg an. »Das sehe ich.« Harcourts Versuch, sich von der Neuigkeit zu erholen, war wirklich jämmerlich. »Seine Kompositionen sind wirklich schockierend«, fügte Simon ohne eine Miene zu verziehen hinzu. »Dich trifft da keine Schuld.«
    Harcourt schloss die Augen. »Die … oh ja. Ziemlich.« Auf dem Weg zum
Strand
hatte er Simon kurz ins Studio eines vielversprechenden, aber unkonventionellen Geigers namens Gardner begleitet. »Die auch«, sagte Harcourt mit einem zaghaften Nicken. »Sehr … kraftvoll.«
    »Du meinst derb.« Gardner sägte mit dem Bogen, als wollte er sein Instrument zweiteilen.
    Harcourt zögerte. »Eigentlich … ist es mir egal, um die Wahrheit zu sagen. Ich bin noch bei der anderen Sache.«
    »Du meine Güte. Es ist fast eine Stunde her, seit ich dir die freudige Nachricht mitgeteilt habe.«
    Harcourt schüttelte den Kopf und rieb sich das Gesicht. Er war ein blauäugiger Rotschopf mit dem entsprechenden Teint, aber im Moment war er noch blasser als sonst. »Hör mal, du hattest beinahe fünf Wochen Zeit, um dich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie nicht tot ist. Ich selbst erinnere mich sehr gut an das Mädchen, das in Kleid und Schürze auf der Wiese in Hatby herumgetollt ist. Nachdem sie verschwunden war, ist meine Mutter zwei Wochen lang nicht aufgestanden.« Er zog eine Grimasse. »Ich glaube, mein Vater musste die gesamte Dienerschaft befragen, für den Fall, dass einer von ihnen heimliche Pläne für das Kinderzimmer hatte.«
    »Die große Dienstbotensäuberung von 1872«, sagte Simon. »Eine ganze Generation von Kindermädchen ist davon gezeichnet.«
    Harcourt runzelte die Stirn. »Aber du musst dich doch an sie erinnern. Du warst auch in Paton Park in jenem Sommer, oder?«
    »Nein«, sagte Simon. »Nicht in jenem Sommer.«
    »Aber ich erinnere mich an Briefe von dir. Das war der Sommer, als du bei einem Jagdrennen abgeworfen wurdest und dir das Schlüsselbein gebrochen hast. Bilde ich mir das nur ein?«
    Simon seufzte. In jenem Sommer hatte er sich in den Briefen an seine Freunde einen Haufen Lügen ausgedacht. Rushden war, aus einem Grund, an den Simon sich nicht mehr erinnerte, wütend auf ihn gewesen und hatte ihn auf irgendein düsteres Anwesen in Schottland verbannt. Auf dem Bahnhof in York war Simon seinen Begleitern entkommen und hatte es bis zu seinen Eltern geschafft. Aber als sie unverzüglich Vorkehrungen trafen, ihn wieder dem Earl zu übergeben, war er erneut abgehauen, diesmal nach London. Die dürftige Summe in seinen Taschen hatte nicht einmal für vier Tage gereicht.
    Die Reise zurück nach Paton Park, wo

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