Eine Parkuhr fuer mein Pferd
Zeitung. Die Leute, die sie lasen, schmunzelten.
Aber einer schmunzelte nicht. Das war der Direktor des kleinen Wanderzirkus Fabunelli, der immer noch in Bad Segeberg gastierte und eine schlimme Zeit hatte, weil die Besucher ausblieben.
„Corinna“, rief er, „hier steht etwas über unsern Südwind. Er lebt und scheint auch ganz gesund zu sein.“
„Okay“, antwortete Corinna, „grüß ihn von mir!“ „Kind“, rief Herr Fabunelli, „verstehst du denn nicht? Unser Südwind, der jahrelang die Attraktion in unserem
Zirkus war, ist nicht umgekommen! Im Gegenteil, er scheint putzmunter zu sein. Er hat in Itzehoe getanzt und Verbeugungen gemacht, all die Kunststücke, die er bei uns gelernt hat. Wir müssen ihn unbedingt wiederhaben.“
„Verkauft ist verkauft“, sagte Corinna. „Trainiere weiter mit seiner Tochter und vergiß ihn.“
Herr Fabunelli ließ die Zeitung sinken.
„Ach, bis die soweit ist, sind wir alle längst verhungert. Sie hat nicht das Talent ihres Vaters geerbt und bringt mich noch zur Verzweiflung.“
„Dein Pech, du hättest Südwind eben nicht verkaufen dürfen.“
„Aber, Kind, Südwind war krank und benahm sich, als ob er nicht mehr lange leben würde. Darum war es doch ein Glück für uns, daß wir noch jemanden fanden, der ihn uns abkaufte.“
„Betrug war es“, sagte Corinna. „Du hast den Käufer übers Ohr gehauen, das ist strafbar.“
„Was hätte ich denn sonst tun sollen“, stieß Herr Fabunelli hervor. „Südwind arbeitete nicht mehr, die Zeiten waren schlecht, ich mußte doch irgendwie Geld ranschaffen! Die anderen Tiere brauchten Futter, und du, meine liebe Tochter, wolltest auch nicht hungern.“
„Okay“, räumte Corinna ein. „Lassen wir die Sache auf sich beruhen und vergessen wir Südwind.“
Aber damit war Herr Fabunelli nicht einverstanden. „Nein, nein“, rief er, „wir vergessen ihn nicht, wir holen unsern Südwind zurück!“
„Wie willst du das machen ohne Geld?“
„Südwind ist anscheinend weiterverkauft worden. Hier in der Zeitung ist von einem jungen Mann die Rede, dem er gehören soll. Du wirst dich auf den Weg machen, den jungen Mann suchen und ihn bitten, uns das Pferd für diese Saison zu überlassen.“
„O ja“, spottete Corinna, „dann wird er mir gerührt um den Hals fallen und mir noch das Reisegeld für den Rückweg in die Hand drücken.“
Herr Fabunelli legte ihr die Hand auf die Schulter. „Du ziehst dich hübsch an“, sagte er, „läßt deinen Charme spielen und schilderst ihm unsere Situation; sagst ihm, daß unsere Tiere kein Futter und keine Streu haben, daß deine Mutter krank ist, weil sie den Niedergang unseres Zirkus nicht ertragen kann; daß du selber untröstlich bist, weil du nicht mehr auftreten kannst; und daß dein Vater völlig verzweifelt ist.
Wenn ihn das nicht rührt, muß er ein Herz aus Stein haben. In dem Fall ist er unser herrliches Pferd nicht wert, dann stiehlst du es ihm.“
Corinna stand auf und reckte sich. „Ich weiß nicht, ob du dir da nicht falsche Hoffnungen machst“, sagte sie. „Schön, ich kann es ja versuchen. Aber wie werdet ihr hier ohne mich zurechtkommen? Die Sache kann doch eine Weile dauern.“
„Das laß nur meine Sorge sein. Den Drahtseilpart werde ich übernehmen, und Mutter muß wieder aufs Pferd. Sie kann es noch, davon bin ich überzeugt.“
„Hm, und wie soll ich dem jungen Mann nachreisen? Wir haben doch kein Geld für eine Bahnfahrt.“
„Du mußt dich an die Straße stellen und Autostopp machen. Ein junges Mädchen wird gern mitgenommen.“
Corinna lächelte. „Hast du keine Angst, daß mir was passieren könnte?“
„Muß ich die haben?“ fragte ihr Vater zurück. „Du bist doch bisher noch mit jedem fertig geworden, der dir zu nahe trat, dafür hast du doch Judo und Jiu-Jitsu gelernt.“
Frau Fabunelli war nicht sehr begeistert von dem Unternehmen, stimmte aber schließlich zu. So stand Corinna denn am nächsten Tag in Jeans und einem roten Anorak an der Straße und streckte den Daumen aus.
Eine unfreiwillige Pause
Herr Möller hatte die Spur verloren. Nach dem Zwischenfall mit den beiden jungen Männern, denen er das Auto aus dem Graben gezogen hatte, war er in die Irre gefahren. Außerdem war ihm klar geworden, daß er sein Fahrzeug noch nicht richtig beherrschte.
Nach einigen hundert Metern war er von der Straße abgebogen, hatte die Perücke heruntergerissen und sich die Schminke aus dem Gesicht gewischt. Und dann war er in einem Dorfgasthaus
Weitere Kostenlose Bücher