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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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behielt, die ich mir aber denken konnte, verzögerte er das Verfahren so lange, bis Daisy im siebten Monat schwanger war.
    Der Richter behandelte sie mit der Sanftheit eines alten Mannes, der sein Leben an einem ritterlichen Ehrenkodex ausgerichtet hatte, und Nigel Monkson beklagte sich in der Garderobe darüber, daß die Beklagte in seinem allerersten Mordprozeß schwanger war.
    Keiner hatte irgendwelche Zweifel daran, daß diese Schwangerschaft berechnet war oder daß George Holmes einen schlechten Zeitpunkt gewählt hatte. Der Number One Court im Old Bailey, der Mord- und Vergewaltigungsfällen vorbehalten ist, ist groß und karg und wirkt einschüchternd. Alle Kollegen sahen die dramatischen Möglichkeiten, die der Anblick Daisys auf dem erhöhten Zeugenstand bot – eine einsame Frau, ein Symbol der Fruchtbarkeit und der ursprünglichen Unschuld im Schatten jener dunklen, abgenutzten Eiche und der Männer mit grauen Perücken und schwarzen Talaren, die für die finstere Aussicht aufs Gefängnis standen. Es war, sagten die Leute, ohne nachzudenken, einer von Feinbergs genialsten Schachzügen.
    George saß hinter dem Solicitor aus dem Büro des Generalstaatsanwalts, der Monkson und seinen Junior für die Anklage instruierte. Ich saß hinter Feinberg und starrte hinüber zu George. Daisy stand in dem Metallkäfig für die Angeklagten. Jeden Morgen ärgerte ich George, indem ich einen Stapel Papiere herausholte, ihm zunickte und sie sorgfältig gefaltet wieder in meine Jackentasche zurücksteckte. Ich sorgte dafür, daß Daisy die Diskette hatte, auf der der Text dieser Papiere gespeichert war.
    Nigel Monkson überraschte uns alle durch seine vorbildliche Kenntnis der Gesetze und Fakten. Zwar war das in diesem Fall nicht besonders schwierig, aber die Anstrengung war ihm vom Gesicht abzulesen. Die vielen Zeichen seiner Eitelkeit (ein Goldkettchen am linken Arm, eine Taschenuhr, ein großes, purpurrotes Seidentaschentuch, mit dem er sich die Stirn abwischte, ein Weinglas aus Kristall, aus dem er Wasser trank) schienen in dem grimmigen intellektuellen Kampf, den er in seinem ersten Mordprozeß führte, irgendwie unterzugehen. Sir Simon Carlford, Daisys unbarmherziger Q. C, hatte sich für einschmeichelnde Freundlichkeit entschieden. Er nannte Monkson »Nigel, mein Lieber« und verwendete Ausdrücke wie »wir Seidenträger«. Monkson strahlte vor Dankbarkeit und lispelte, daß »man erst dann ein richtiger Jurist ist, wenn man seinen ersten Mordfall im Bailey hinter sich hat«. Carlford belohnte dieses Eingeständnis, indem er die Hand auf Monksons Unterarm legte.
    Nach den üblichen Präliminarien wurden die Geschworenen vereidigt. Die Verteidigung hat das Recht, ohne Angabe von Gründen gegen insgesamt zwei Geschworene Einspruch zu erheben. Roland Denson, Carlford und ich hatten einige Zeit darüber diskutiert, ob wir Einspruch erheben sollten. Es ist allgemein bekannt, daß Hausfrauen mittleren Alters die nachsichtigsten Geschworenen sind, aber der Durchschnittsangeklagte ist ja auch jung und männlich. Nach langen Diskussionen beschlossen wir, daß wir nur keine jungen Männer wollten, die offensichtlich einmal von Feministinnen verletzt oder erzürnt worden waren. Am Ende bestand die Gruppe der Geschworenen aus sieben Frauen und fünf Männern. Das kam Carlford entgegen, der meinte, seine angeborene Aggression kaschieren und wie eine leidenschaftliche Verteidigung aller Frauen aussehen lassen zu können.
    Monkson begann mit einer zu langen und zu emotionalen Ansprache. Er redete über Kaltblütigkeit und Vorsatz und gab dem Wort »Mord« dabei jedesmal eine so melodramatische Färbung wie bei Dickens. Die Geschworenen sollten nicht erfahren, daß Monkson seinen ersten Mordprozeß betrachtete wie manche Männer ihren neuen Wagen – als eine Quelle der Freude, der man alle erdenkliche Aufmerksamkeit angedeihen ließ. Jedesmal, wenn er das Wort »Mord« aussprach, zitterte Daisy.
    Wie üblich ließen sich die Gerichtsmediziner über die ungefähre Zeit, die Ursache und den Ort des Todes aus. Thirst war zwischen drei und fünf Uhr früh auf einer Londoner Straße gestorben, nachdem eine Kugel aus einer aus geringer Entfernung abgefeuerten Kleinkaliberpistole den vorderen Hirnlappen durchschlagen hatte. Die Kugel war am unteren Ende seines Hinterkopfes wieder ausgetreten, ungefähr einen Zentimeter über der Wirbelsäule, und hatte ein unregelmäßig geformtes Stück Fleisch von der ungefähren Größe einer Murmel

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