Eine private Affaere
Gerichtssaal Frauen, denen Sie erlaubt haben, Schußwaffen auf Ihren Grund und Boden mitzubringen, um damit auf Ihrem Schießplatz zu üben?«
Der weibliche Don Quijote sah Daisy an und nickte.
»Wen meinen Sie?«
»Die Angeklagte, Mrs. Thirst.« Ihre Stimme klang sanfter.
»Und erkennen Sie die Person auf diesem Foto wieder?« Monkson reichte einem Clerk das Foto, der es an die Zeugin weitergab.
»Ja. Das ist die Angeklagte, wie sie auf meinem Schießplatz übt.«
Monkson erklärte dem Richter und den Geschworenen unter dem zustimmenden Nicken von Carlford, daß das Foto im Rahmen einer Routinekontrolle gemacht worden war. Spezialeinheiten zur Bekämpfung des Terrorismus hatten alle bekannten Schießplätze überprüft. Natürlich hieß das nicht, daß Daisy eine Terroristin war; sie hatte nur das Pech gehabt, von der versteckten Kamera aufgenommen worden zu sein. Die Spezialeinheiten hatten den illegalen Schießplatz nicht geschlossen, weil sie hofften, er könnte wirkliche Terroristen anlocken und zu ihrer Identifizierung führen. Daisy blinzelte jedesmal, wenn Monkson das Wort »Terrorist« verwendete.
Das Foto wurde an die Geschworenen weitergereicht. Ich sah, wie sie alle – sieben Frauen und fünf Männer, bodenständige, gutmütige Londoner, die noch nie eine Bluttat gesehen oder eine Schußwaffe in der Hand gehabt hatten – Daisy in einem völlig neuen Licht betrachteten. Dies war der schlimmste Teil des Prozesses für sie, der Augenblick, den Monkson trotz seiner Tolpatschigkeit ziemlich geschickt vorbereitet hatte. Es war fast Mittag, doch Carlford wollte auf jeden Fall erreichen, daß die Geschworenen in der Mittagspause an etwas anderes dachten. Daß sie von Daisys Übungen auf einem Schießplatz wußten, war die eine Sache, der Schaden, den dieses Wissen anrichtete, eine andere. Er hatte Monkson bereits aus dem Gleichgewicht gebracht; nun war es an der Zeit, ihm den letzten Nerv zu rauben und die Geschworenen damit abzulenken.
Sir Simon Carlford war groß, hatte hängende Schultern und eine Adlernase. Die Perücke saß nicht ganz korrekt, seine eigenen Haare standen wirr um seine Ohren. Im allgemeinen wartete er wie ein ungeduldiger Aasgeier aufs Kreuzverhör, um sich dann unerbittlich auf sein Opfer zu stürzen, doch als er sich an jenem Tag erhob, stellte er die wahrscheinlich belangloseste Frage seiner ganzen Laufbahn.
»Madam, stimmt es, daß Sie homosexuell sind – ein kesser Vater, wie man meines Wissens in der Umgangssprache dazu sagt?«
Die Leute auf der Besuchergalerie kicherten, die Geschworenen schnappten erstaunt nach Luft, der Richter sah verwirrt drein, und Monkson sprang auf. Carlford setzte sich wieder. Es herrschte einen verwirrenden Augenblick lang Schweigen, während Monkson mit hochrotem Gesicht versuchte, mit dieser offensichtlichen Provokation Carlfords zurechtzukommen.
»Wollen Sie Einspruch erheben, Mr. Monkson?« sprang ihm der Richter bei.
Monkson brachte zunächst kein Wort heraus. Endlich entlud sich sein Zorn in einem Wortschwall.
»In meiner ganzen Karriere als Anwalt …«
»Möchte mein Freund sich über seine Karriere verbreiten?« erkundigte sich Carlford. »Sie war mit Sicherheit faszinierend und vornehm.«
Monkson preßte die Arme gegen den Oberkörper und fuchtelte frustriert mit den Fäusten. »Ich weiß nicht, welch teuflische Strategie mein Freund da ausgeheckt hat …«
»Falls mein Freund mich des beruflichen Fehlverhaltens bezichtigen will, ist dies weder die richtige Zeit noch der richtige Ort«, sagte Carlford, der sich wieder erhoben hatte.
Der Richter wandte sich an Carlford und sprach mit ihm über Monkson, als befinde sich dieser nicht im selben Raum. »Da stimme ich Ihnen zu, Sir Simon Carlford. Ich habe zuerst gedacht, er wollte Einspruch gegen Ihre letzte Kreuzverhörsfrage erheben.«
»Das will ich auch«, flehte Monkson. »Ich will ganz entschieden Einspruch erheben, Euer Ehren. In meiner Anwaltsausbildung hat man uns immer wieder eingeschärft, daß wir die Bewahrer der englischen Sprache sind …«
Monkson schwieg, als der Richter voller Verzweiflung auf den Tisch klopfte. Carlford, der sich wieder gesetzt hatte, beschäftigte sich mit seinen Unterlagen. Plötzlich war ein vernehmliches Husten aus dem Zeugenstand zu hören.
»Ich bin sehr stolz, lesbisch zu sein«, begann die Zeugin. »Ich …«
Der Richter brachte sie mit einem gereizten Lächeln zum Schweigen. »Ihre Aussage ist uns sehr wichtig, Madam. Doch leider scheint
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