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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Ich habe einen Fall für ihn.«
    Vermutlich hatte er die Abendzeitung noch nicht gelesen, aber seine Kontakte zur Polizei waren gut, und deshalb wußte er mit ziemlicher Sicherheit von Daisys Verhaftung – höchstwahrscheinlich schon vor ihr. Ich wußte, daß er der mit dem Fall verbundenen Publicity nicht würde widerstehen können. Feinberg meldete sich schon nach wenigen Sekunden. Er sprach hastig und ungeduldig.
    »Es geht um Ihre Freundin. Eine Mordanklage. Sie wollen mich beauftragen. Ich nehme an. Wann will Holmes sie verhören?«
    »Morgen.«
    »Wann?«
    »Irgendwann am Nachmittag.«
    »Wann genau?«
    Schon wurde Feinberg wütend.
    »Wann wir wollen. Holmes ist den ganzen Tag im Hampsteader Polizeirevier.«
    »Hast er das gesagt?«
    »Ja.«
    Kurzes Schweigen. »Hab’ selten was Merkwürdigeres gehört. Ist das ein Mordprozeß oder ein Schaukampf?«
    »Er benimmt sich wie ein Gentleman. Warum, weiß ich auch nicht.«
    »Gefällt mir gar nicht. Bringen Sie sie morgen früh um halb neun zu mir ins Büro. Um halb zehn habe ich einen Termin, aber am Nachmittag habe ich noch nichts vor. Da können wir dann die Sache mit dem Polizeirevier erledigen.«
    Er legte auf, ohne meine Antwort abzuwarten. Am nächsten Morgen brachte ich Daisy um Punkt halb neun zu ihm (Feinberg hatte schon Leute abgewiesen, die zehn Minuten zu spät kamen). Ich war froh, daß sie beschlossen hatte, ihren Sonntagshut und ihr bestes Kleid zu tragen – nur für den Fall, daß die Leute von der Presse uns wieder überraschten.
    Feinberg hatte zwar ein Büro in der Nähe des Bailey, doch seine eigentliche Kanzlei befand sich im West End, in einem monströsen Neubau mit Buntglasfenstern, die man aus dem Erdgeschoß eines alten georgianischen Hauses in Mayfair ausgebaut hatte. Ein Abziehbild von einer Empfangsdame (platinblond, schlank, enger schwarzer Pullover, lange Beine in Netzstrümpfen) brachte uns zu seinem Allerheiligsten, das seine Sekretärin hütete wie ein Wachhund. Sie scheute auffällige Äußerlichkeiten in dem Maße, wie ihre Kollegin sie kultivierte: Sie trug eine altmodische Brille, ein formloses, wenn auch teures Kostüm und musterte uns mit klugem, abschätzendem Blick. Ich hatte gehört, daß sie Feinberg fast hündisch ergeben war und nur die Schultern zuckte über seine kurzen Affären mit den Empfangsdamen. Ohne uns eines Wortes zu würdigen, betätigte sie einen Knopf der Gegensprechanlage.
    »Mr. Knight ist hier.«
    »Mrs. Thirst und Mr. Knight sind hier«, berichtigte ich sie.
    Daisy legte eine Hand auf meinen Arm. »Ist schon in Ordnung – ich hab’ mich längst dran gewöhnt, unsichtbar zu sein.«
    Die Sekretärin brachte uns zu Feinberg, ohne sich zu entschuldigen. Feinberg erhob sich hinter seinem riesigen Schreibtisch und ging uns entgegen. Er war klein, nicht einmal einsfünfundsechzig, trug eine schwarze Brille und hatte lockige graue Haare. Sein Kopf war ziemlich groß für seinen Körper, und sein Gesicht und seine Lippen zuckten nervös wie kleine Insekten, wenn er nicht gerade redete oder sich konzentrierte. Wie viele außerordentlich intelligente Menschen schien er sich auf einer völlig anderen Bewußtseinsebene zu befinden, wenn er sich mit einem Problem beschäftigte, und war gereizt, wenn ihn die Realität wieder einholte. Ich spürte, daß er Daisy attraktiv fand. Vielleicht war das ganz nützlich.
    »Ich habe Nachforschungen angestellt«, sagte er, sobald wir uns gesetzt hatten. »Über die Hintergründe unterhalten wir uns später. Sie werden mir das hier erklären müssen. Überzeugend und ausführlich.«
    Dabei nahm er ein Foto aus seiner Schublade und knallte es Daisy hin. Es war das gleiche, das George Holmes mir am Sonntag gezeigt hatte. Daisy mit Ohrenschützern auf dem Schießplatz.
    Die Farbe wich aus ihren Wangen. »Mein Gott, mein Gott, mein Gott.«
    »Das ist genau die Reaktion, mit der Sie zehn Jahre in Holloway landen«, herrschte Feinberg sie an.
    »Wer hat das Foto gemacht? Woher haben die das?« fragte Daisy zitternd.
    Feinberg zuckte mit den Achseln. »Wer weiß? Irgendein Schnüffler von den Spezialeinheiten.« Er sah mich an. »Ganz schön blauäugig, die Kleine, was?« Dann lümmelte er sich in seinen Sessel und starrte Daisy an. »Das hier ist England, meine Liebe. Die hindern einen nicht unbedingt daran, das Gesetz zu brechen, aber sie wissen alles. Und sie verwenden dieses Wissen gegen Sie, wenn es ihnen paßt.«
    Daisy hielt die Hände vors Gesicht. »Spezialeinheiten. Ich

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