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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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die Energie, die ich durch meine Nervosität verbrannte, so schnell wie möglich wieder ersetzen; jetzt brachte ich kaum zwei Bissen eines kleinen Schinkenbrötchens hinunter. Hogg hingegen bestellte sich ein »Supersandwich«. Es bestand aus zwei großen Scheiben Vollkornbrot mit Schinken, Hühnchenteilen, Avocado, Salat, Tomate und Mayonnaise. Er mußte den Mund so weit aufmachen, daß er fast eine Maulsperre bekam. Nach jedem Bissen zog er eine frische Papierserviette aus einem Spender, um sich damit das feiste Gesicht abzuwischen. Trotzdem landete irgendwann ein tropfenförmiger Mayonnaisefleck auf seinem schwarzen Priestergewand.
    »Ich beneide Daisy darum, angeklagt zu sein«, erklärte er mir. »Wir haben alle in der einen oder anderen Weise zu seiner Zerstörung beigetragen. Ich hätte es als Ehre verstanden, wenn Gott mich als Sündenbock erwählt hätte.«
    »Lassen wir Gott mal aus der Sache raus. Das Gesetz verlangt, daß man tatsächlich abdrückt.« Meine Worte trafen ihn wie Schüsse. »Man muß mitgeholfen haben, um in einem Mordprozeß angeklagt zu werden.«
    »Ja, ja, Wut – ich erinnere mich jetzt wieder daran. Sie haben mich immer verachtet; das war mir eine Hilfe. Aber was ist mit Ihnen? Haben Sie immer noch keine Zweifel an Ihrer Selbstgerechtigkeit? Schließlich dürften Sie doch jetzt fast vierzig sein.«
    Er sprach mit halbvollem Mund, so daß seine klugen Worte einen merkwürdigen Kontrast zu seiner Verfressenheit bildeten. Woher nur hatte er die Kraft genommen, meinen Zorn zu entfachen?
    Wir schoben uns wieder auf die Straße hinaus. Durch die Anstrengung wurde er ganz blaß.
    »Ich gehe nicht mehr zum Gericht zurück«, sagte er. »Dort kann ich nicht helfen.«
    Also hatte er mir nur seine Botschaft mitteilen wollen. Als wir uns verabschiedeten, sagte er: »Übrigens: In dem Traum war es irgendwie klar, daß Daisy unschuldig ist.«

[37]
    Nach dem Mittagessen stellte Carlford fest, daß er keine Fragen an den weiblichen Don Quijote hatte. Da die Zeugenvernehmung der Anklage damit beendet war, rief Carlford seinen ersten Zeugen auf.
    Es war das erste Mal in meinem Leben, daß ich eine Aussage in einem Strafprozeß machte, das erste Mal, daß ich die unsägliche Einsamkeit des Zeugenstandes im Angesicht eines skeptischen Richters und eines überfüllten Gerichtssaals erlebte. Die Roben, die Wappen, die Vereidigung, all diese Symbole haben eine magische Wirkung auf eine Psyche, die durch Isolation verletzlich geworden ist. Und der Effekt ist noch tausendmal stärker, wenn die Geschichte, die man erzählen soll, von vorne bis hinten erlogen ist.
    Erst als ich feststellte, daß ich ganz automatisch auf Carlfords Fragen antwortete, wurde mir der Sinn von Feinbergs unerbittlichem Drill klar. Die Lüge war nun wirklicher geworden als die Wahrheit. Ich sagte, Daisy und ich seien in der Nacht von Thirsts Tod die ganze Zeit zusammengewesen. Natürlich hatten wir zahlreiche Einzelheiten eingefügt, um die Sache glaubwürdig zu machen (wir hatten unsere Beziehung ein paar Monate zuvor wiederaufgenommen, uns heimlich einmal in der Woche getroffen und zusammen ein paar Wochenenden auf dem Land verbracht). Ich sah, wie Monkson sich hastig mit George Holmes beriet, bevor er sich erhob. Ich war zutiefst dankbar dafür, daß mich Monkson ins Kreuzverhör nehmen würde und nicht ein kompetenterer Anwalt.
    »Mister Knight, Sie sind sich doch darüber im klaren, daß Ihr Gespräch mit Commander Holmes an jenem Tag von Polizeitechnikern, die in einem unauffälligen Lieferwagen vor dem Haus warteten, aufgezeichnet wurde?«
    »Ja.«
    »Müssen wir Commander Holmes bitten, uns das Tonband vorzulegen und uns seine Echtheit zu bestätigen?«
    »Nein.«
    »Doch das, was Sie Commander Holmes damals sagten und was hier für die Nachwelt aufgezeichnet ist, unterscheidet sich deutlich von dem, was Sie dem ehrenwerten Gericht erst vor ein paar Minuten persönlich erklärt haben.«
    »Das weiß ich.«
    »Und für welche der beiden sich widersprechenden Versionen entscheiden Sie sich?«
    »Für die, die ich gerade dem Gericht gegeben habe.«
    »Dann behaupten Sie also mit anderen Worten, Commander Holmes angelogen zu haben?«
    »Ja.«
    Die nächste Frage lag natürlich auf der Hand: »Wenn Sie damals gelogen haben, warum sollten wir Ihnen dann jetzt glauben?« Ein geschickterer Barrister hätte sie nicht gestellt.
    »Aber wenn Sie, Mr. Knight, ein Angehöriger des Juristenstandes, zugeben, Commander Holmes Lügen erzählt

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