Eine private Affaere
zu demonstrieren, wie schwach und minderwertig Frauen sind.«
Er wandte den Blick von ihr wie von einem ungezogenen Kind. »Könnten wir uns kurz unterhalten?«
»Kann ich dann gehen?« fragte Daisy.
»Ja, Sie können gehen.«
Ich hatte noch nie einen Mann gesehen, der Daisy verächtlich behandelte. Er setzte sich auf ein Sofa, das wir nur für die Liebe benutzten.
»Was wollen Sie tun?« fragte ich ihn.
»Das hängt auch von Ihnen ab. Ich möchte, daß Sie sie daran hindern, mein Geschäft jemals wieder zu betreten. Ich möchte nicht, daß sie in die Nähe kommt oder auch nur durchs Schaufenster hineinschaut. Und am allerwenigsten möchte ich, daß sie mit Drogen vollgepumpt reingeht und Sachen klaut.«
»Sie machen aber ein ganz schönes Trara um eine Schachtel Tampons, finden sie nicht auch? Und es ist deutlich zu sehen, daß sie nicht unter Drogen steht.«
»Nein, heute nicht, das stimmt. Und heute hat sie auch nur eine Schachtel Tampons mitgehen lassen.« Er zog eine Liste heraus. »Ich habe die Nase voll von ihr. Schön, die Hälfte von euch Studenten nimmt’s nicht so genau mit mein und dein, aber sie ist anders, irgendwie verdreht. So etwas merke ich sofort. Wollen Sie die Liste? Hier.«
Er las sie mir vor. Es standen ganz normale Sachen für den Haushalt darauf, Süßigkeiten, Lebensmittel. Sie war erschreckend lang; neben jedem Posten standen Datum und Uhrzeit. Vieles davon kaufte Daisy normalerweise mit Geld aus unserer gemeinsamen Kasse.
Er zog noch ein weiteres Papier aus der Tasche und reichte es mir. Es war Daisys unterschriebenes Geständnis, sie habe nicht nur die Tampons, sondern auch alle anderen Artikel auf der Liste gestohlen. Brown hatte die Aussage selbst aufgenommen. Sie war peinlich genau und professionell – er war ein Mann, der sich intensiv mit dem Ladendiebstahl befaßt hatte, das lag auf der Hand.
»Es wundert mich, wie lange Sie untätig zugesehen haben«, sagte ich.
»Ich habe meine Methoden. Und jetzt würde ich Sie gern fragen, wie Sie die Sachen bezahlen wollen.«
»Die Tampons?«
»Nicht nur die Tampons, sondern alles. Ich gebe Ihnen eine detaillierte Rechnung.«
So sah seine Methode also aus. »Na schön, aber dafür möchte ich die Erklärung.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, nein, die Erklärung behalte ich als Sicherheit, damit sie nie wieder einen Fuß in meinen Laden setzt.«
Ich ging ins Schlafzimmer, wo wir in einer Keksdose Geld aufbewahrten. Browns Rechnung leerte sie für diesen Monat fast ganz.
Er machte Anstalten zu gehen. »Wenn ich Ihnen etwas sagen darf …«
»Nein, danke.«
»Wenn ich Ihnen etwas sagen darf: Ich würde an Ihrer Stelle aufpassen. Ich weiß, sie ist toll, aber sie hat ein Problem. Vielleicht sind das die Drogen, vielleicht auch etwas anderes. Ich habe sie beobachtet. Es ist, wie wenn man zwei verschiedene Menschen beobachtet. Am einen Tag ist sie himmelhoch jauchzend, am nächsten zu Tode betrübt – und sie ist immer allein.«
»Allein? Das ist doch lächerlich. Sie hat jede Menge Freunde.«
Brown schüttelte den Kopf. »Sie ist eine Schauspielerin. Den Eindruck habe ich jedenfalls. Aber hinter der Fassade gibt’s jede Menge Probleme. Und Einsamkeit. Nun, Ihnen ist das, was ich sage, sowieso egal, also gehe ich jetzt. Sorgen Sie nur dafür, daß sie nicht mehr in meinen Laden geht, das ist alles.«
Sobald er weg war, legte ich mir einen Vortrag für Daisy zurecht. Es ging darin um den Unterschied zwischen extravaganten, maßlosen Delikten wie Drogenkonsum und Delikten der Unehrlichkeit, die immer etwas Niederträchtiges haben. Anders als sie war ich auf der Straße aufgewachsen. Ich wußte, was am Ende mit Dieben passierte. Nichts Schönes.
Ich mußte sie suchen und fand sie in unserem Stammpub, wo sie allein vor einem Bier saß. Sie starrte mißmutig vor sich hin und schien mich nicht zu bemerken. Ich stellte einen Stuhl an ihren Tisch.
»Nicht.«
»Nicht was?«
»Halt mir nicht den Vortrag, den du dir zurechtgelegt hast. Wenn du das machst, bin ich weg, und du siehst mich nie wieder. Zwei Dinge tun mir leid: Erstens, daß ich erwischt worden bin, und zweitens, daß du da mit reingezogen wirst. Das ist alles.«
Ich bestellte mir ein Bier und blieb schweigend eine Weile neben ihr sitzen. Ich versuchte ein paarmal, sie an Arm und Hals zu berühren, doch sie schien nichts zu spüren. Ihrer Haut fehlte die übliche elektrische Spannung, ganz als habe ihr Lebensgeist sie verlassen. Nach einem weiteren Bier nickte sie,
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