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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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glaube ich, ziemlich egal gewesen, wenn man sie irgendwann einmal bei einem Bankraub erwischt hätte, denn mein Herz war voller Dankbarkeit. Ihre Fähigkeit zu lieben und mir ihre Freundschaft zu zeigen, die durch den Zwischenfall nur noch verstärkt worden war, war einfach überwältigend für einen Menschen, der die Umwelt als unerbittlich feindselig erfahren hatte. Ich entspannte mich in ihrer Gegenwart, und sie machte mir das wohl größte Geschenk, das eine junge Frau einem gequälten jungen Mann machen kann: Sie lehrte mich, daß ich weder zu wenig liebenswert noch zu wenig sexy war, und folglich wurde ich, glaube ich, ein bißchen von beidem. Ich weiß, das, was ich jetzt sagen werde, ist ausgesprochen unmodern, aber ich denke, daß ich dafür niemals ernsthaft eine andere Frau geliebt habe.
    Die gesellschaftliche Konditionierung ist ein merkwürdiges Phänomen. Ich nahm mir manchmal ein Zitat von Dickens vor und las es, wenn sie nicht da war:
    In eine so feine, zarte Form gegossen; so rein, so schön; … der sich wandelnde Ausdruck voll Liebenswürdigkeit und guter Laune, die tausend Lichter, die um das Gesicht spielten und keinen Schatten darauf hinterließen; vor allem das Lächeln, das fröhliche, glückliche Lächeln …
    Dieses innere Bild Daisys existierte parallel zu meinem Wissen, daß sie eine Diebin war, manche hätten sogar gesagt, eine Drogensüchtige, und davon träumte, ihren Vater umzubringen. Ich hatte einmal eine Mandantin, eine reizende Pandschabi-Frau von den Westindischen Inseln, um die Sechzig, die Geld veruntreut hatte und eine der letzten jamaikanischen Bediensteten mit Ausbildung war. Sie erzählte mir, in ihrer Jugend auf den Westindischen Inseln habe sie sich immer darüber gewundert, daß die Schwarzen wirklich glaubten, die Weißen befolgten die Zehn Gebote, auch wenn diese ihnen tagtäglich das Gegenteil bewiesen.

[11]
    Mitte 1976 zerbröckelte mein studentisches Weltbild. Ich hatte in London ein Jahr lang hart für meine Prüfungen geschuftet und dann mein zwölfmonatiges Barrister-Referendariat abgeleistet, während sie ihren Abschluß machte. Die Tatsache, daß einer von uns am Wochenende immer zwischen London und Warwick hin und her pendeln mußte, hatte der Intensität unserer Beziehung keiner Abbruch getan, doch jetzt sah ich mich plötzlich mit dem konfrontiert, was wir als Studenten »die Zukunft« genannt hatten. Nichts von dem, was Mick, Che oder Bertrand sagten, hatte mich auf diese Realität vorbereitet.
    Ich hatte mir den Bart und die langen Haare abgeschnitten, trug keine Jeans und Pullover mehr und hatte sogar meinen affenartigen Rundrücken beinahe aufgegeben. Letztlich hatte ich meine ganze Identität gegen einen Platz am Fuß einer hohen und ziemlich überfüllten Leiter eingetauscht. Und diese Leiter schien irgendwo mitten in der Grube zu stehen. Ich hatte ein paar Monate lang gearbeitet, und mein Clerk beschrieb meine Fälle als »Gut«, was hieß, daß ich immer mehr Arbeitszeit mit zunehmend brutalen Kriminellen verbrachte. Ganz allmählich traten an die Stelle der ungeschickten Einbrecher, Ladendiebe und Exhibitionisten Männer (normalerweise handelte es sich um Männer), denen es völlig egal war, ob sie Körper oder Leben anderer Menschen dauerhaft schädigten. Es kann ein erschütterndes Erlebnis sein, das Opfer eines Gewaltverbrechens kennenzulernen, wenn man selbst den Mann vertritt, der das Verbrechen begangen hat. Es bestand kein Zweifel daran: Ich begann anders über Verbrechen, Gesetz und Polizei zu reden – in meiner Studienzeit hätten meine Kommilitonen mich dafür gelyncht.
    Endgültig abtrünnig wurde ich eines Abends im frühen Winter, als ich den Mut aufbrachte, zur El Vino’s Wine Bar in der Fleet Street zu gehen, wo sich die anderen Barristers aus meinen Chambers nach der Arbeit trafen. Dort war gerade eine Debatte über die Moral der Anklage im Gange.
    »Die reine Prostitution«, sagte ein junger Idealist. »Was meinen Sie, Knight?«
    Ich gestand stotternd, daß sich meine Einstellung allmählich radikal änderte. Dann führte ich das Beispiel einer hübschen Achtzehnjährigen an, der mein Mandant das Gesicht eingeschlagen und so die Stirn- und Nebenhöhlen irreparabel ruiniert hatte. Ich hatte den Mann wegen eines technischen Fehlers in der Anklage erfolgreich verteidigt und dem wütenden Richter erklärt, warum er das Verfahren nicht weiterführen konnte, aber ich war nicht sonderlich stolz auf das Ergebnis.
    »Halten Sie Distanz,

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