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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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doch so wichtig. Ich will reden wie du.«
    »Wie ich?«
    »Was ist daran so komisch?«
    »Ist dir noch nicht aufgefallen, daß ich gerade versuche, nicht mehr so wie ich zu sprechen? Jedes Wort, das ich sage, verrät meine Klasse, meinen Hintergrund.«
    »Verdammt, ich mag deine Klasse, ich mag deinen Hintergrund.« Sie schlug mit den Fäusten auf mich ein. »Hilf mir, Jimmy, es ist mir wichtig.«
     
    Für mich war es das letzte Studienjahr, für Daisy das erste, obwohl niemand gedacht hätte, daß ich älter war als sie. Sie hatte zwischen Schule und Uni zwei Jahre freigenommen, und man merkte ihr an, daß sie sich schon einmal den Duft der großen weiten Welt um die Nase hatte wehen lassen. Ich war weder sportlich noch sexy und litt an einem lähmenden Klassenkomplex. Die ersten beiden Jahre meines Studiums hatte ich mich so stark aufs Lernen konzentriert, daß ich auf anderen Gebieten zurückgeblieben war.
    Aber so ganz ohne Reiz war wohl auch ich in jener fernen Epoche nicht gewesen. Neulich holte Daisy ein paar der wenigen Fotos heraus, die es von mir aus Studententagen gab: Jeans, dicker Pullover, lange Haare, zotteliger brauner Bart; ausgezehrte Wangen und ehrgeiziger Blick; den Arm in Beschützergeste um Daisy gelegt. Ich bin ziemlich groß – über einsachtzig – und sah damals mit meinen runden Schultern eher nach einem Gorilla aus als nach einem Gelehrten. Aber mein Gott, was waren wir jung! Auf dem Bild ist Daisy unschuldig wie eine Puppe; und mein Bart und meine affenartige Haltung lassen auf das verletzliche Kind dahinter schließen.
    »Die Leute sagen, du bist brillant«, sagte Daisy. Doch das war nicht als Lob gemeint.
    »Ich arbeite daran.«
    Ich hatte bereits so hart daran gearbeitet, daß das Abschlußjahr für mich nicht zu einer Zerreißprobe wurde wie für alle anderen. Ich hatte mir einen umfangreichen, aber zu bewältigenden Arbeitsplan aufgestellt und verbrachte jede freie Minute mit Daisy. Ich hatte mich in jenem Jahr auf dem Universitätsgelände eingemietet, um näher an der Bibliothek zu sein, doch Daisy redete mir das schon bald wieder aus. Die einfachste Methode, Brenda zu entkommen, bestand darin, in ein Studentenhaus in einem der nahegelegenen Orte zu ziehen. Wir mieteten einen großen Raum mit Küchenanteil in einem großen Viktorianischen Haus. Zu dem Zeitpunkt kannten wir uns drei Monate und schliefen so oft miteinander wie ein Paar, das sich gerade erst kennengelernt hatte.
    Wenn Daisy herumalberte, hüpfte sie manchmal ins Bett, rollte ihren Slip herunter, schob ihren Rock hoch und drehte Däumchen. Wenn ich zu lange brauchte, um mich zu ihr zu gesellen, fing sie an zu pfeifen. Ich war damals ziemlich prüde, fast so etwas wie ein Moralapostel. Ich glaube nicht, daß mir dieses Verhalten bei einem anderen Menschen gefallen hätte, aber die wahrhaft Schönen haben einen ganz eigenen Zauber. Ihre Witze können mir das Herz brechen.
    Doch es gab Momente, in denen ich das unterdrücken mußte, was ich für meine angeborene britische Zimperlichkeit hielt. Ich hatte aus der Arbeiterschicht meine Vorliebe für ein üppiges Frühstück herübergerettet: gebratene Eier, Bohnen, Würstchen, Toast, eine große Tasse Tee. Daisy aß ihre Cornflakes gern, nur mit einem T-Shirt bekleidet, auf einer Bank in der Küche, die Beine gespreizt.
    »Ich glaube, es ist wichtig, die Möse zu entmystifizieren – findest du nicht auch? Die meiste Zeit ist sie ein ziemlich unattraktives Organ. Wir hätten sie nie romantisieren dürfen. Und die Enttäuschung führt zu Mißverständnissen und Frauenhaß. Wir programmieren die Männer darauf, die Frauen für reine, mythische Wesen zu halten. Dann sehen sie die Möse während der Menstruation oder wie ein Kind oder die Nachgeburt rausgepreßt wird, und schon ist die Illusion beim Teufel. Von der einen Sekunde auf die andere wird der liebesblinde Trottel zum Weiberfeind. Verstehst du, was ich meine?«
    Ich sah meine gebratenen Eier an, die ich am liebsten ganz weich aß, und nickte.
    Ich hatte jede Menge Arbeit, mindestens fünf juristische Themen bis Juni – ganz im Gegensatz zu Daisy. Sie hatte sich für englische und amerikanische Literatur entschieden, was die meisten von uns für eine bequeme Ausflucht hielten. Während wir anderen uns mit Disziplinen herumschlugen, die nicht fürs Amüsement gedacht waren, vertieften sich Daisy und ihre Kommilitonen im englischen Institut in die Geschichte von Jay Gatsby oder Mr. Pickwick. Daisy war der Meinung, daß

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