Eine private Affaere
nicht, daß ich darauf reinfalle, oder?«
Er zuckte mit den Achseln. »Bei Eleanor hat’s funktioniert.« Ein schwaches Grinsen.
»Aber ich bin nicht Eleanor.«
Kurz vor Deptford stiegen alle außer uns aus, um ihre Anschlüsse in die Docklands oder nach Kent zu erwischen. Während die anderen Fahrgäste einer nach dem anderen müde die Stufen hinunterkletterten, stemmten sich vier Punks von unten dagegen.
Der Busfahrer wollte sie zurechtweisen, überlegte es sich aber anders. Eine Frau mittleren Alters murmelte etwas von wegen Unhöflichkeit, und ein Mann sagte: »Das war Absicht – er ist mir auf der Fuß getreten.«
Doch keiner wagte, laut etwas zu sagen, denn die vier Punks waren alle ziemlich kräftig. Sie hatten eine Gesichtsfarbe wie Kartoffeln, orangefarbene Haare im Irokesenschnitt und Tätowierungen am Hals, auf denen stand: »Hier abtrennen«. Der größte von ihnen – er war über einsachtzig – schob sich mit affenartigen Gang vorbei, die Arme von den runden Schultern herunterbaumelnd. Genau wie die anderen Fahrgäste wollte ich seinem Blick ausweichen, doch gleichzeitig fiel es mir schwer, ihn nicht anzustarren. Sein Kumpan hinter ihm hatte einen riesigen Kassettenrecorder in der Hand, den er vertikal hielt, um damit nicht gegen die Sitze zu stoßen.
Ich war neugierig, wie Thirst reagieren würde, doch er schien die vier kaum wahrzunehmen. Als sie dann schließlich an uns vorbeikamen, sagte er »Scheißamateure«, so laut, daß sie es hörten. Der Anführer drehte sich genauso merkwürdig wippend um, wie er ging, und sah Thirst unter seinen wulstigen Brauen hervor an. Sein Spiel mit der animalischen Brutalität wirkte ziemlich überzeugend. Er starrte Thirst einen Moment lang an, bevor er zu den Sitzen vorne weiterwippte. Ich hatte das starke Bedürfnis, Thirst zu sagen, er solle sie nicht reizen. Doch ein Rest männlichen Stolzes hinderte mich daran.
»Diese Punks sind doch alle bloß verkappte Tunten«, sagte Thirst mit derselben lauten Stimme. »Keine Ahnung, warum die Leute solche Angst vor ihnen haben.«
Der wippende, halb kahlrasierte Schädel des Menschenaffen erstarrte einen Augenblick in der Bewegung und fing dann wieder zu wippen an, allerdings weniger überzeugend. Ich konnte beinahe sehen, wie sich seine Nackenhaare sträubten.
»Zum Beispiel die fette Schwuchtel da«, fuhr Thirst fort. »Würde wetten, daß der Typ Mädchenslips und Straps trägt.«
Dem jüngsten der Punks gelang es nicht, ein Grinsen zu unterdrücken, doch der mit dem Kassettenrecorder wandte sich überrascht zu Thirst um, als bemitleide er ihn jetzt schon wegen der Prügel, die er beziehen würde. Der Große verwandelte das Wippen in ein Kopfschütteln und machte Anstalten aufzustehen, doch Thirst war bereits auf den Beinen und versperrte den Gang. Erst jetzt ergab seine gewagte Provokation Sinn. Er ging in Kampfstellung, hob die Hände, halb zu Fäusten geballt. Er war wachsam und gespannt wie ein Athlet. Man sah sofort, wie schnell und hinterhältig er sein, wie gut der Kampf ihm gefallen würde.
Plötzlich wirkten die Punks im Vergleich zu ihm wie tölpelhafte Amateure. Der große Punk tat so, als habe er gar nicht aufstehen wollen, und lümmelte sich gegen die Buswand. Thirst setzte sich wieder.
»Mach an«, wies der Oberpunk seinen Musikchef an.
Ohrenbetäubende Punkmusik erfüllte den Bus.
»Ausmachen«, brüllte Thirst.
»Du kannst mich mal.« Das war nicht der große Punk, sondern der mit dem Kassettenrecorder.
»Was?« Wieder war Thirst auf den Beinen. Der Punk mit dem Kassettenrecorder sah hoffnungsvoll zu dem Großen hinüber, doch der tat ganz unbeteiligt und schaute mit wippendem Kopf aus dem Fenster. Der Punk mit dem Recorder machte ein finsteres Gesicht und drehte die Musik leiser.
»Ich hab’ gesagt ausmachen.«
Die Musik hörte auf, aber Thirst war immer noch nicht zufrieden. Er ging nach vorn zu den Punks. Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, hörte nur etwas zutiefst Bedrohliches. »Ich hab’s doch ausgemacht, oder?« Der Punk klang verängstigt. Thirst kam wieder zurück und setzte sich.
»Punkärsche.«
In Deptford stiegen wir aus und gingen ein kurzes Stück zu Fuß bis zu einer Straße, die in der Viktorianischen Zeit wohl prächtig gewesen war. Ihre Unbekümmertheit stand in deutlichem Kontrast zu der formlosen Ansammlung von Hochhäusern, schäbigen Reihenhäusern und häßlichen Läden aus den sechziger Jahren, die es in der Gegend gab. Stattliche Villen mit
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