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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Der Witz schwebte ziemlich lange im Raum, bis zwei oder mehr Angehörige der Gruppe ihn gleichzeitig verstanden und sich schier ausschütteten vor Lachen. Dann hörten sie unvermittelt wieder damit auf. Sie sahen einander fast zärtlich an, wandten den Blick ab, schauten auf den Boden, grinsten selbstgefällig. Daisy war es gelungen, Kopf der Gruppe zu werden.
    »Ich war so stoned«, erzählte sie gerade, »daß ich die ganzen Aufsätze in die Wanne gelegt und das heiße Wasser aufgedreht habe. Und da haben sie mich vor die Tür gesetzt.«
    Die ganze Gruppe fing an zu lachen.
    Ich beobachtete sie von der Tür aus und merkte anfangs nicht, in welchem Maß die Droge meine vertrauten Ängste verstärkte. Mein Verdacht (der sich immer mehr erhärtete), daß ihr Narzißmus keinen Raum für Liebe ließ und daß meine Leidenschaft für sie nichts anderes war als Verblendung oder ein Zauber, den sie über mich gesprochen hatte, trieb mir den kalten Schweiß auf die Haut.
    Paranoia tat sich wie eine Kluft vor mir auf. Ich starrte in einen inneren Abgrund, als Hogg sich mit triumphierendem Gesichtsausdruck zu mir gesellte. Als er mich ansprach, hatte ich das Gefühl, er habe meine Gedanken erraten.
    »Sie sehen aus, als würden Sie heute zum erstenmal Frauen sehen. Sind sie nicht gräßlich?«
    Ich hatte eigentlich nur Daisy angeschaut, doch jetzt sah und hörte ich mich um und mußte feststellen, daß alle anderen Frauen im Raum eingebildet, mächtig und intrigant wirkten. Einen Augenblick lang kamen sie mir vor wie Wesen, die alle nach dem gleichen Muster geschaffen waren. Diese Feststellung verstärkte meine Angst nicht, sondern brachte mich zum Lachen. Hogg war verblüfft.
    »Haben Sie da nicht was vergessen?« fragte ich.
    »Und zwar?«
    »Tja, schaun Sie sich doch mal die Männer an.«
    Ich dachte dabei besonders an Thirst – er hatte keinerlei Skrupel gehabt, uns alle in seinem Machthunger unter Drogen zu setzen, da war ich mir jetzt sicher.
    »Aber die Männer sind doch wunderschön«, sagte Hogg.
    Das Wort »schön« ließ mich sofort an Daisy denken, die mich in dem Augenblick anschaute und das Gesicht verzog. Ich hatte sie oft genug mit ihren Egotrips geneckt, die sie abzog, wenn sie in eine Gruppe kam, die sie beherrschen konnte. Ihr Gesichtsausdruck schien zu sagen: »Jawohl, ich leiste mir ein billiges Vergnügen, und ich mache blöde Witze, über die alle lachen können.« Mein Ekel wich sofort einem Gefühl grenzenloser Liebe, das sich ziemlich schnell auf die anderen Frauen im Raum und dann auch auf die Männer ausdehnte.
    »Es ist mir ein Rätsel«, sagte ich, als habe Hogg an meinem inneren Dialog teilgenommen. Dann kam mir der verblüffende Gedanke, daß meine sprunghafte Wahrnehmung vielleicht etwas mit dem Rhythmus des stroboskopischen Lichts zu tun hatte: an/aus, schwarz/weiß. Die Vorstellung, daß das menschliche Leben sich letztlich auf den hirnlosen Wechsel von binären Gegensätzen reduzieren ließ (war das nicht auch das Prinzip, auf dem Computer basierten?), erschreckte mich so sehr, daß ich mich an Hoggs Arm klammerte.
    Doch es ging vorbei. Ich fühlte mich plötzlich ganz ruhig und erinnerte mich an meine Panik von vorhin wie an einen Strudel, dem ich wie durch ein Wunder entronnen war. Die Droge hatte nun gänzlich von mir Besitz ergriffen. Dieser Zustand der inneren Ruhe ermöglichte es mir, völlig unparteiisch über meine Lage nachzudenken.
    Ich legte den Kopf in den Nacken, so daß ich einen Winkel der Zimmerdecke betrachtete. Das hatte ich als Kind immer getan, wenn ich krank im Bett lag. Dort oben sah ich Thirst noch einmal in seinem Sträflingsanzug mit den abgeschnittenen Ärmeln. Er schob einen riesigen Felsen einen Berg hinauf, die Hände durch die Anstrengung zu blutenden Stümpfen zermahlen. In diesem Zerrbild stand er knapp davor, den Gipfel des Hügels zu erreichen, der (er wußte das allerdings nicht) in einer steilen Klippe endete. Ich legte den Kopf noch weiter in den Nacken, bis ich die Decke direkt über mir anschaute. Da war er wieder mit seinem Felsen, kurz vor der Klippe. Wenn ich den Kopf noch weiter zurücklegte, war er erneut da – überall. Warum hörte er nicht auf, den Felsen hochzurollen?
    Das Bild faszinierte mich, als könne es eines meiner ewigen Rätsel lösen, und ich versuchte, es festzuhalten, doch es löste sich auf.
    Ich spürte, daß mir eine weitere Panikattacke bevorstand. Als ich mich Hogg zuwandte, sah ich, daß die Droge inzwischen auch bei ihm

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