Eine Rose im Winter
Sie heiter und ausgelassen sein sollten, meinetwegen und dem, was die anderen in mir sehen, Kränkungen erfahren könnten, lag mir schwer auf dem Herzen.« Seine Stimme klang entschieden, obwohl die Worte so langsam gesprochen wurden, als wählte er sie vorsichtig. »Ich habe mir daher etwas ausgedacht, wie man der Viper die Giftzähne ziehen und die makabren Absichten von Miß Talbot und ihrem Gefolge vereiteln kann. Darum habe ich Ihnen einen Begleiter ausgesucht, einen Mann von makellosem Ansehen. An seinem Arm wird niemand wagen, Sie zu belästigen.« Er hob eine Hand, um ihrem Widerspruch Einhalt zu gebieten. »Keine Einwände, mein Entschluß steht fest, und als Ihr Gatte bitte ich Sie, meine Gründe, die ich noch erklären werde, zu verstehen. Ich werde keine Erörterungen dulden, denn der Herr wird sofort hier sein. Ich kann Ihre Sorge gut verstehen. Doch er hat mir versichert, Sie mit der gleichen Umsicht zu begleiten, wie Sie es von mir erwarten könnten.« Die ausdruckslose Maske betrachtete sie mit einer Entschiedenheit, die jeden Einwand verbot. Eingeschüchtert von seinem leeren, entschlossenen Blick konnte Erienne nur noch mit kleinlauter Stimme flüstern: »Es läge mir fern, Ihr Missfallen zu erregen, Mylord.«
Lord Saxton ging zu ihrem Toilettentisch zurück und ergriff fast nachlässig das wertvolle Halsband aus Smaragden und Diamanten. Auf seine einladende Geste hin trat Erienne zu ihm und neigte ihren Hals. Seine warmen bloßen Finger legten den Schmuck flink und geschickt um ihren Hals. Dann fuhren seine Hände liebkosend über die sanften Linien ihrer Schultern, glitten herunter und kamen an ihrer Taille zur Ruhe. Er räusperte sich angestrengt, ließ die Hände sinken und fuhr mit schroffer Stimme fort.
»Ich wünsche Ihnen heute abend viel Freude, Madam, unterhalten Sie sich gut. Ich werde Sie nicht mehr sehen, bevor Sie gehen.« Mühselig ging er zur Tür, wo er stehen blieb, um sie zum letzten Mal anzusehen. »Ich werde Ihnen Tessie schicken, damit Sie Ihre Toilette vollenden können. Aggie wird Ihnen Bescheid sagen, wenn der Gentleman hier ist. Guten Abend, meine Liebe.«
***
Alles war bereit, und als sie gerufen wurde, folgte Tessie ihrer Herrin. Sie trug den schweren Samtmantel auf den Armen, damit er nicht am Fußboden schleifte. Erienne machte sich Gedanken, wer ihr Begleiter sein würde. Steif und zögernd schritt sie die Treppe hinunter. Stuart konnte doch nur eine geringe Auswahl haben. Ob wohl etwa einer von Talbots Freunden seine Dienste angeboten hatte? Natürlich nur dem Gastgeber zu Gefallen. Obwohl damals scheinbar leichtfertig von ihr verworfen, hatte sie Christophers Warnung nicht leicht genommen.
Am Eingang zur großen Halle blieb Erienne stehen. Ihre Hand legte sich über das plötzlich schneller jagende Herz, als sie sah, wer sie erwartete. Sie konnte es kaum glauben, daß ihr Mann so töricht war, dem Yankee ihre Tugend als Beschützer und Bewacher anzuvertrauen.
Er lehnte am Kamin und starrte in die Flammen. Ein großer, schmalhüftiger, breitschultriger Mann, Christopher Seton, dessen Gestalt nicht minder reizvoll als sein Gesicht war. In silbergraue Seide gekleidet, mit Hemd und Strümpfen in Weiß sah er aus wie ein adliger Grundbesitzer. Das warme Licht des Kaminfeuers spielte über seine feingeschnittenen Züge; und das beklemmende Gefühl in ihrer Brust war der Beweis für die faszinierende Ausstrahlung seiner Person.
Beim Versuch, ihre Fassung wiederzugewinnen, atmete Erienne tief auf und betrat den Raum. Als ihre Absätze über den Steinboden klapperten, fuhr er auf. Lächelnd kam er ihr entgegen, sein Blick glitt forschend über ihre schöne Erscheinung. Mit einer großartigen Verbeugung und ausholender Geste blieb er vor ihr stehen.
»Lady Saxton, ich bin tief geehrt.«
»Christopher Seton.« Sie zwang sich zu einem sarkastischen Ton, um die Unsicherheit in ihrer Stimme zu verbergen. »Ich verachte Sie zutiefst!«
»Madam?« Mit einem Ausdruck amüsierter Überraschung richtete er sich auf.
»Irgendwie ist es Ihnen gelungen, meinen Mann davon zu überzeugen, daß der Fuchs den Hühnerstall bewachen soll.«
Als Antwort schenkte er ihr ein spitzbübisches Lächeln. »Lady Saxton, fast jeder hier in der Umgebung weiß, wie gut Ihr Mann mit Waffen umzugehen versteht, und ich zweifle nicht daran, daß er jeden fordern würde, der es wagen sollte, Sie zu beleidigen. Ich gebe Ihnen mein Wort, mich mit Ihnen in der Öffentlichkeit so zurückhaltend und
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