Eine Rose im Winter
Karton, das Sie vielleicht brauchen werden.«
Erienne legte das Kleid zur Seite und sah hinein: Auf einem weiten Mantel aus grünem Samt lagen ein Paar weiße Strümpfe ausgebreitet, das Zarteste, was man sich an Hemden vorstellen konnte, und Ballschuhe aus cremefarbigem Satin mit Schnallen in Silber-Filigran.
»Sie haben wirklich an alles gedacht, Mylord.«
Er nickte kurz und antwortete: »Ich habe mir Mühe gegeben, Madam.«
Fünfzehntes Kapitel
Am Nachmittag vor dem großen Fest saß Erienne an ihrem Toilettentisch, wo Tessie eifrig bemüht war, ihr das Haar zu einer eleganten Frisur aufzustecken. Das Korsett über dem Unterhemd war so eng geschnürt, daß es die vollen Brüste hob und gegen den dünnen Stoff preßte. Das durchsichtige Hemd ließ die beiden leicht verschleierten Wölbungen rosig und rund hervortreten, ohne sie unter Spitzen oder verschlungener Stickerei zu verbergen. Ein Gewand wie dieses hatte sie nie besessen: In der Tat erschien es in der Absicht gewählt worden zu sein, jede Einzelheit ihres fraulichen Körpers zur Geltung kommen zu lassen.
Sorgfältig ausgebreitet lag das Gewand auf dem Bett zum Anziehen bereit, und daneben auf dem Tisch lag der Schmuck. Alles war gerichtet, und ein Gefühl von Spannung und freudiger Erwartung wuchs in Eriennes Herzen, indes die Stunden schnell verrannen. Sie hegte Zweifel, ob Claudia Talbot ihren Mann mit Takt behandeln würde, und in ihrer Phantasie sah sie Szenen unerfreulicher Auseinandersetzungen. Sie zweifelte jedoch nicht daran, daß Lord Saxton durchaus fähig war, mit jeder peinlichen Situation fertigzuwerden. Eher machte sie sich Sorgen, daß ihr Temperament mit ihr durchgehen könnte.
Tessie fragte sie etwas und lenkte dadurch ihre Aufmerksamkeit auf ein Thema, das im Augenblick vordringlicher war. Beide überlegten angestrengt, wo die letzte Locke in der kunstvoll aufgetürmten Haarpracht liegen sollte, und wieder einmal überhörten sie, wie Lord Saxton den Raum betrat.
»Sie sind beinahe fertig?« fragte die beängstigend heisere Stimme und erschreckte sie beide. Sie fuhren herum und sahen ihn zwischen den Türflügeln stehen.
Flink steckte Tessie die Locke fest und zupfte sie zurecht, dann knickste sie: »Ja, Mylord.«
Er entließ sie mit einer stummen Geste seines Handschuhs, und das Mädchen eilte aus dem Zimmer. Auf seinen Stock gestützt, betrat er mühsam den Ankleidealkoven und ging zum Stuhl, auf dem seine Frau saß. Von hinten betrachtete er ihr Abbild im Spiegel. Obwohl Erienne seine Augen unter der leeren Maske nicht sehen konnte, spürte sie seinen durchdringenden kühnen Blick auf ihrem nur dünn verschleierten Busen.
Lord Saxton streckte die Hand aus und fuhr ihr mit einem Finger seines Handschuhs am Rückgrat herab. Er ließ ihn vom Nacken bis zum Hemdansatz herunterwandern, dann wieder nach oben, bis er die Hand auf ihre Schulter legte.
»Madam, wenn ein altersschwacher Greis Sie jetzt so sehen könnte, sein Herz würde gewiß die letzten Schläge tun.«
Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem sanften Lächeln. »Sie scherzen, Stuart. Ich bin doch nur ein einfaches Mädchen.«
Ein leises Lachen drang aus dem Lederhelm. »Ja, so einfach, daß dieses liebe, ach so verwöhnte Kind Claudia bei ihrem Anblick einen Schlaganfall befürchten muß, und all' die kleinen Frösche im Sumpf werden vor Neid quaken.«
Seine Frau lachte und griff nach ihrer Schulter, um dankbar seine Hand zu drücken. »Mylord, entweder Sie sind viel zu höflich, oder die Belastung durch Ihr Gebrechen hat Ihren Verstand getrübt. Sollte irgend jemand mich heute abend bewundern, dann gewiß nur wegen des wunderbaren Kleides, das ich trage.«
Sie erhob sich, und er folgte ihr zum Kamin, wo sie Platz nahm und den Saum ihres Unterhemdes über das Knie hochzog. Von der Maske verborgen, bewunderte er ihre wohlgeformten schlanken Beine, als sie sich die Strümpfe überstreifte. Als sie sich vorneigte, um die seidenen Hüllen glatt zu ziehen, hielt er den Atem an, denn sie bot ihm einen herrlichen und zugleich quälenden Einblick auf ihren Busen.
»Madam, ich habe beschlossen, daß Sie sich in dieser Stunde nicht verbergen sollen, sondern als die einzigartige, vollkommene Blüte präsentiert werden, die alle vor Neid erblassen läßt. Und damit komme ich zu dem Thema, das ich mit Ihnen besprechen möchte.«
In seinem halblauten Flüstern schwang ein Ton, der Erienne stutzig machte. Aufmerksam sah sie ihn an.
»Der Gedanke, daß Sie auf einem Fest, auf dem
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