Eine Rose im Winter
flammenden Augen an.
»Bleiben Sie, wo Sie sind, Madam! Ich bin mit Ihnen noch nicht am Ende.«
»Sie haben kein Recht, hier Befehle zu geben«, widersprach sie, auch in ihr wuchs der Zorn. »Das hier ist das Haus meines Mannes!«
»Ich gebe Befehle, wann und wo es mir paßt, und diesmal werden Sie hier bleiben und mich zu Ende anhören!«
Noch wütender als vor ein paar Sekunden, schleuderte Erienne ihm ihre Antwort zu. »Sie können den Männern auf Ihrem Schiff befehlen, was Sie wollen, Mister Seton, doch hier haben Sie diese Autorität nicht! Ihnen einen guten Tag!«
Sie raffte ihre Röcke, fuhr herum und schritt auf den Turm zu, bis sie den Klang schneller Schritte hinter sich hörte. Jähe Panik ergriff sie, daß er eine Szene machen würde, die sie vor ihren Dienstboten … oder ihrem Mann bloßstellen könnte. Sie eilte in die Vorhalle des Turms, sprang über eine Pfütze von geschmolzenem Schnee und lief die Treppe hinauf, so schnell es ihr möglich war. Kaum hatte sie die vierte Stufe erreicht, als sie hörte, wie ein Fuß ausglitt, dann ein lautes Fallen und ein kurzer schmerzvoller Aufschrei, gefolgt von einem ärgerlichen Fluch. Als sie sich umdrehte, sah sie, wie Christopher der Länge nach über den Fußboden glitt und sich zusammengekrümmt an die Wand lehnte. Sekundenlang starrte sie entsetzt hinunter, wie der sonst so tadellose Mann auf höchst unwürdige Weise dahinschlitterte; aber als er den Kopf hob, um sie mit kaum unterdrückter Wut anzusehen, überwältigte sie das Komische dieser Szene, Sie brach in perlendes Lachen aus und erhielt dafür ein finsteres Stöhnen der Erbitterung.
»Sind Sie verletzt, Christopher?« fragte sie freundlich.
»Na ja, mein Stolz ist mächtig angeschlagen!«
»Oh, das heilt schnell, Sir!« kicherte sie, breitete ihre Röcke aus, um sich geziert auf der Stufe über ihm niederzulassen. Ihre Augen tanzten in einem so lebendigen Licht, dessen Glanz jeden geradezu blenden mußte. »Aber Sie sollten vorsichtig sein! Wenn solch ein winziges bißchen Wasser Sie so plötzlich fallen läßt, würde ich doch raten, nicht jenseits dieser Gestade zu segeln.«
»Nicht dies bißchen Wasser ließ mich fallen, sondern ein stacheliges Frauenzimmer, das mir an jeder Ecke gleichsam Stachelzäune errichtet.«
»Sie wagen mich zu beschuldigen, wenn Sie hier hereinstürmen, schnaubend wie ein wütender Stier?« Ihr tiefes Lachen klang recht skeptisch. »Wirklich, Christopher, Sie sollten sich Ihrer schämen. Sie haben Paine erschreckt, und ich hätte Ihretwegen fast einen Herzschlag bekommen.«
»Das ist völlig unmöglich, denn das Ding ist bestimmt aus Stahl und Eisen gemacht, kalt und hart.«
»Sie zürnen nur«, spottete sie leichtfertig, »weil ich nicht ohnmächtig zu Ihren Füßen niedergesunken bin.«
»Ich bin wütend, weil Sie fortwährend die Tatsache ableugnen, daß Sie eigentlich meine Frau sein sollten«, stellte er nachdrücklich fest.
Schritte auf den Stufen hinter ihr ließ Erienne aufstehen. Gelassen kam Aggie die Treppe herunter, sie schien Christophers zornig-düsteres Stirnrunzeln überhaupt nicht zu sehen. Mit einer kleinen Entschuldigung ging sie an ihrer Herrin vorbei. Als sie schließlich neben Christopher in der Halle stand, betrachtete sie ihn gründlich, und ein verschmitztes Lächeln trat in ihre Augen. »Sind Sie nicht etwas zu alt, um Ihren Mittagsschlaf aufm Fußboden einzunehmen, Sir?«
Mit erhobenen Augenbrauen sah er Erienne an, als sie ein Kichern unterdrückte, und mit einem Schnaufer erhob er sich aus seiner unwürdigen Stellung, ehe er dann Reithosen und Ärmel abwischte, »ich sehe schon, daß ich hier kein Mitleid finde, darum verlasse ich Sie beide, auf daß Sie Lord Saxton zu Diensten sein können.«
»Aber Sie sollten noch nicht geh'n, Sir«, schmeichelte Aggie. »Sie hab'n ja noch nicht mal gegessen, Sir. Bleiben Sie doch und essen mit der entzückenden Herrin hier.«b
Christopher winkte ab. »Zweifellos werde ich im Eber freundlichere Gesellschaft finden.«
Erienne hob den Kopf. Der Gedanke, daß er in Mollys Armen Trost und Erleichterung suchen könnte, brachte sie auf und erfüllte sie mit einer heftigen Eifersucht. Die Vorstellung von seinem hochgewachsenen, muskulösen Körper zwischen Schenkeln und Armen dieser wollüstigen Frau, ließ Eriennes Herz so plötzlich sinken, daß ihr fast übel wurde. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, daß er eine andere Frau umarmte, obwohl sie sich vor ein paar Stunden ihrem Ehemann
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