Eine Rose im Winter
hingegeben hatte. Röte brannte auf ihren Wangen, während dieser Zwiespalt in ihr wütete, und zornig rief sie aus:
»Dann gehen Sie doch!« rief sie. »Und zwar schnell! Ich hoffe nur, daß ich vergesse, daß Sie je existierten!«
Stirnrunzelnd sah Christopher sie an, während Aggie schnell und diskret davonlief. »Meinen Sie das wirklich?« wollte er wissen. »Mich niemals wieder zu sehen?«
»Jawohl, Mr. Seton!« Die Worte entfuhren ihr in bitterem Zorn, und sie wollte sie auch nicht zurückhalten. »Genauso meine ich es!«
Leise fluchte er, bevor er knurrte: »Wenn Sie das wünschen, meine Dame, dann sollen Sie genau das haben.«
Er riß die Tür auf, und in zwei Schritten war er draußen. Als er sie hinter sich zuwarf, füllten Eriennes Augen sich mit Tränen, und sie unterdrückte ein Schluchzen, als sie die Stiege hinaufeilte. In ihrem Zimmer tat sie ein gleiches und warf die Tür hinter sich zu.
***
Eriennes seltener Anflug von Zorn ließ die Dienstboten erschreckte Blicke tauschen, da bisher die Herrin nicht mal eine Braue hochgezogen, geschweige sie gescholten hatte. Wann immer sich ein Problem ergab, wurde es stets mit ruhiger Stimme, doch mit unmissverständlicher Autorität mit ihnen besprochen. Als es sich nun herumsprach, daß sie den Herrn, Mr . Seton, aus dem Haus gewiesen hatte, waren alle verdutzt. Mittags servierte Paine ihr das Essen mit fragender Ungewissheit, und er wagte nicht, sie zum Weiteressen zu ermuntern. Selbst Aggie schien bestürzt, obwohl sie am Morgen, nachdem sie das Bett des Herrn gerichtet hatte, so fröhlich gewesen war. Die Mädchen, die sich gewöhnlich dieser Arbeit annahmen, hatte sie ohne Erklärung in einen anderen Teil des Hauses zur Arbeit geschickt. Auch wenn die Haushälterin ihnen wenig Zeit gab, über die Geschehnisse zu plaudern, breiteten sich unter den Bediensteten im Haus bald erschreckte Vermutungen aus. Die Anwesenheit eines Mannes wie Christopher Seton im Herrenhaus gab wahrhaftig zu Klatsch Anlass genug, vor allem, da er Paine aus dem Zimmer gescheucht hatte. Und natürlich konnten sich alle nur den Kopf zerbrechen, was er getan haben mochte, um Lady Saxton Verdruss zu bereiten. Diese gereizte Stimmung war es, die Erienne hinaustrieb, um in der kühlen Luft jenseits der dunklen und schweigenden Mauern des Hauses einen Spaziergang zu machen. Die Sonne stand ungewöhnlich strahlend am Himmel, schmolz den Schnee, der in der Nacht gefallen war, und zog ihre stumme Bahn am Firmament. Wenn auch immer noch große gewellte Flächen von Weiß zwischen den schützenden Wänden wilder Büsche blieben, konnte sie größere Steine erkennen, die einen kleinen verwilderten Garten zwischen dem Herrenhaus und dem zerfallenden östlichen Flügel eingrenzten.
Erienne blieb auf dem Weg stehen, als der eisige Wind in ihren Wangen brannte. Sie brauchte diese erfrischende Kühle, damit ihr Kopf wieder klar wurde und um vielleicht die Fetzen ihrer Gefühle zusammenzubringen. Sie war verzweifelt, daß sie ihre Gedanken nicht beherrschen und Christopher aus ihrem Herzen verbannen konnte. Verzweifelt bemühte sie sich, die Seligkeit, die sie mit Lord Saxton erlebt hatte, zurückzugewinnen, jedoch immer wieder zogen die Bilder von den Stunden im Bett ihres Mannes und denen in der Kutsche durch ihr Bewußtsein und brachten ihr Verständnis von Treue, das sie sich selbst gegeben hatte, in arge Bedrängnis. Die unerfüllbaren Sehnsüchte ihres Herzens widersetzten sich ihrem Willen, und hoffnungslos und fruchtlos wütete in ihrem Inneren ein heißer Kampf.
Betrübt erkannte sie den Pfad, der im Leben vor ihr lag, der der Ehrbarkeit, und wenn es auch eine tiefe Verletzung dieses lebenswichtigen Organs, das jetzt so schmerzhaft in ihrer Brust pochte, bedeutete, so würde sie doch das tun, was rechtens war. Die Würfel waren gefallen. Sie war Lord Saxtons Ehefrau. Sie hatte sich ausgeliefert.
Gereizt stieß Erienne einen kleinen Stein vor sich her. Er hüpfte davon, und als sie ihm nachsah, fiel ihr Blick auf einen Fleck nahe der Wand, wo ein Stückchen Farbe die Eintönigkeit des Schnees und das düstere Grau und tote Braun der Zweige im Unterholz unterbrach. Dort zitterte verloren im Wind eine winzige blutrote Rose. Das Buschwerk war niedrig und kraftlos, und doch trug es eine einzelne Blüte, die wie durch ein Wunder ihre Schönheit mitten im Winter offenbarte.
Fast ehrfürchtig legte sie die Hände um die zarte Blume und beugte sich tief hernieder, um den feinen Duft, der von
Weitere Kostenlose Bücher