Eine Rose im Winter
und der Spur einer Enttäuschung. Sie wollte nicht, daß er ging, konnte ihn aber auch nicht bitten zu bleiben. Doch nur einen Augenblick später war er an der Tür, und dann war er gegangen.
Erienne zog sich die Bettdecke um die Schultern und rollte sich darunter zu einem festen, jämmerlichen Häufchen zusammen. Der Abend hatte von ihren Gefühlen seinen Zoll gefordert, und sie konnte ihren zitternden Körper nicht zur Ruhe bringen. Er war wie eine straff gespannte Bogensehne, die nach dem Schuß des Pfeiles noch weiterschwang. Sie preßte die Zähne aufeinander und versuchte, gegen das Chaos ihrer verwirrten Gefühle anzukämpfen, doch keine noch so große Anstrengung konnte sie beruhigen.
Ein verzweifelter Schrei entfuhr ihr, sie setzte sich abrupt auf, riß das Handtuch vom Kopf und warf es zu Boden. Die Kälte ihrer feuchten Haare hatte sie frösteln lassen, und sie rannte zum Kamin, um sich dort auf einen Stuhl zu setzen. Sie legte den Kopf auf die Knie und breitete ihre langen Locken vor der Wärme des Feuers aus, während sie sie trocken bürstete. Obwohl ihr die strahlende Wärme eine leichte Röte auf die Haut zauberte, konnte sie ihre Nerven nicht besänftigen.
Sie kehrte in ihr Bett zurück und zwang sich, an etwas Ernüchterndes zu denken. Eine dunkle Gestalt trat in den Mittelpunkt ihres Denkens, und sie ließ das Bild der großen, hinkenden Gestalt ihres Mannes vor ihrem inneren Auge entstehen und zerstörte mit unnachgiebigem Willen die traumhafte Illusion von Christopher. Das Abbild der Missgestalt drang langsam in das Innere ihres Bewusstseins, das Zittern wurde schwächer. Sie wollte ihrer Ernüchterung neuen Stoff geben und ließ noch einmal die Monate und Augenblicke seit ihrem ersten Zusammentreffen mit Lord Saxton an sich vorbeiziehen. Die Erinnerungen begannen mit ihrem Bewußtsein zu spielen, verschwommene, undeutliche Bilder stiegen auf, schoben sich ineinander, bis sie sich schließlich zu einem wirren Durcheinander von Ereignissen vermischten, das der Wirklichkeit ganz entrückt war. Wie durch einen dichten Schleier sah sie ein aufgesperrtes Maul, zum tödlichen Biss bereit, und dann wieder Wasserfontänen, die hinter dahingaloppierenden brennenden Hufen emporschossen. Eine Gestalt im schwarzen Mantel schwang sich von dem tänzelnden Hengst und kämpfte sich durch das Wasser auf sie zu.
Mit einem leichten Seufzer legte Erienne sich in die schützenden Arme des Schlafes, die sie umfingen. Ihre Träume gingen in die gleiche Richtung, in die sie sie durch ihre bewussten Überlegungen gelenkt hatte. Sie fand sich inmitten umherwirbelnder Tuche und Faltenwürfe, verloren in ihrer unendlichen Länge. Verwirrt lief sie hin und her, doch die zarten Farben der Seidenstoffe hielten sie gefangen. Dann hinkte durch den bleichen Nebel ein Schatten in einem dunklen Mantel auf sie zu. Sie floh, ohne einen Ausweg zu finden, und er kam immer näher, bis sich ihre Welt in eine schwarze Leere verwandelte. Sie schwebte dahin, hilflos, betäubt. Sie wollte sitzen oder stehen oder schreien, war aber wie gelähmt in einer jenseitigen Welt, unfähig sich zu bewegen.
Starke Arme griffen nach ihr, um ihr Halt zu geben und sie zurückzureißen. Sie fühlte die belebende Wärme eines männlichen Körpers, der sich gegen ihren Rücken preßte. Noch nie hatte sie einen Traum so deutlich erlebt, und sie kämpfte sich mühselig in die Wirklichkeit zurück. Obgleich ihre Augen noch immer die Dunkelheit des Schlafs sahen, verrieten ihre Sinne, daß die Wirklichkeit in der Gestalt eines Mannes zu ihr zurückgekehrt war. Doch die Fäden der Vernunft waren noch dicht mit der Phantasie verwoben, so daß untrennbar das eine ins andere überging und sie im Dunkeln, warm und lebendig, aber ohne feste Gestalt oder klares Gesicht, ihn erkennen konnte. Jähe Furcht ergriff sie davor, daß der Eindringling, der sie so gequält hatte, zurückgekehrt sein könnte, um bei ihr zu liegen. Mit einem leisen Schrei des Erschreckens fuhr sie hoch. Doch da war eine Hand, die sie zurückhielt und ein kratzendes Flüstern, das sie beruhigte.
»Nein, nein, flieg niemals fort von mir, meine Liebste. Komm zu mir und ruh dich in meinen Armen aus.«
Erlöst schmiegte Erienne sich an ihn und widerstand nicht, als er sie zu sich drehte, bis sie eng zusammenlagen, ihr weicher, warmer Körper an festen Muskeln unter glatter Haut. Sein Kopf neigte sich, und ihr Atem stockte, als eine heiße Zunge ihre Brüste streichelte. Quälend langsam glitt
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