Eine Rose im Winter
einer von beiden dabei getötet werden konnte. Natürlich hatte er gehofft, daß es Christopher Seton sein würde. Er würde jemand ermordet haben, um sich von der Schande, daß er schuldig war, reinzuwaschen. Doch war es Farrell, der den Preis für seine Betrügerei bezahlt hatte, und jetzt war die Reihe an ihr, ausgenutzt zu werden, genauso, wie er ihren Bruder und ihre Mutter für seine Interessen eingespannt hatte.
Ihre Stimme klang gereizt und überspannt, als sie mit unverhohlenem Sarkasmus sprach. »Warum bringst du mich nicht gleich auf den Sklavenmarkt, und die ganze Sache ist erledigt. Verkaufst mich in Leibeigenschaft für zehn oder wieviel Jahre auch immer. Was ist denn schon dabei? Ich bin dann nur ein paar Jährchen über dreißig, wenn die Schuld bezahlt ist. Solange du deine Geldscheine bekommst, was spielt das denn schon für eine Rolle, ob ich verheiratet bin oder eine Sklavin?«
Erienne hielt ein und erwartete hastigen Widerspruch, als sie sich in der nun folgenden Stille langsam umdrehte und mit wachsendem Entsetzen ihren Vater ansah. Er hatte einen Ellenbogen auf die Rückenlehne eines Stuhles gestützt und gab ihren Blick mit einem halbirren Flackern in seinen Augen zurück.
»Auf den Markt, meinst du?« Er zeigte sich belustigt und rieb sich fröhlich die Hände. »Auf den Markt? Du bist da vielleicht auf eine ganz gute Idee gekommen, Mädchen!«
»Vater!« Erst jetzt kam ihr völlig zu Bewußtsein, was sie getan hatte. Ohne es zu bemerken, hatte sie Christophers Sarkasmus nachgeahmt, und nun war dies auf sie wie eine Lawine zurückgekommen. Sie versuchte eine Erklärung. »Ich habe im Scherz gesprochen, Vater. Du kannst doch so etwas nicht im Ernst in Betracht ziehen.«
Avery gab kein Zeichen, daß er sie gehört hatte. »Das sollte genügend von ihnen auf die Beine bringen. Wer bietet am meisten … für eine gescheite und gut erzogene Ehefrau.«
»Ehefrau?« wisperte Erienne schmerzvoll.
»Eine Frau, die lesen und schreiben kann, sollte eine ganz schöne Summe bringen, vielleicht ein bißchen mehr als zweitausend Pfund. Und wenn das mal vorbei ist, kann sie sich seinen Zärtlichkeiten nicht mehr widersetzen!«
Erienne schloß ihre Augen und suchte ihre aufgewühlten Gedanken zu beruhigen. Was hatte sie angerichtet?
»Natürlich, man müßte schon 'n Weg finden, damit dieser Hundesohn Seton sie nicht kriegt. Der hat Dampf in der Hose, sobald er sie sieht. Hab' ich gesehn, wie er sie in der Kutsche angeglotzt hat. So, als ob er sie hie und da schon mal gehabt hätte. Bestimmt, da finden wir einen Weg.«
»Vater, ich bitte dich«, bedrängte Erienne ihn. »Bitte, tu mir das nicht an.«
Avery lachte vor sich hin und beachtete sie nicht. »Ich mache einen Anschlag, genauso werde ich es tun. Farrell wird das für mich schreiben. Allen zur Kenntnis!« Er steckte einen Finger in die Luft und verkündete: »Ein gewisser Christopher Seton erhält keine Erlaubnis, an der Versteigerung teilzunehmen.«
Wie ein bösartiger Kobold in sich hineinlachend, ließ sich Avery auf die Stuhlkante nieder und schlug sich, indem er fröhlich hin und her schaukelte, mit einer Hand auf das Knie. Seine Augen strahlten so, als ob er schon die Rache genösse, die er an seinem Feind nehmen würde. Kaum daß er bemerkte, wie seine Tochter aus dem Raum stürmte.
***
Am Morgen des nächsten Tages wurden die Handzettel angeschlagen, worauf zu lesen stand, daß das höchst ungewöhnliche Ereignis in zehn Tagen stattfinden würde. Die Jungfer Erienne Fleming würde an den Meistbietenden als Braut versteigert werden. Die Versteigerung würde vor dem Gasthof stattfinden, oder, bei schlechtem Wetter, im Gastraum. Die Notiz forderte alle in Frage kommenden Männer auf, die Münzen in ihrer Börse zu zählen, denn angesichts der Vorzüge einer solch gebildeten und schönen Jungfer würde eine Untergrenze gesetzt werden.
Ganz unten auf der Ankündigung fand sich in dicken Lettern der deutliche Hinweis an einen Christopher Seton, daß man ihm nicht gestatten würde, teilzunehmen.
Ben stolperte aus dem Gasthof, als er den großen Yankee auf seinem schwarzen Hengst vor dem Anschlag stehen sah. Mit einem Grinsen durch seine schwarzen Stummelzähne sah er zu Christopher auf und zeigte mit dem Daumen auf das Pergament. »Schauen Sie, man hat Sie von der Versteigerung ausgeschlossen, Herr. Spricht sich schneller rum, als ich spucken kann. Sie ha'm doch gesagt, Sie wär'n am Heiraten nich' interessiert, frag' mich, was Sie da
Weitere Kostenlose Bücher