Eine Rose im Winter
hielt sie warm, und trotz ihres Entschlusses, zu ihm Abstand zu halten, mußte sie sich immer wieder dabei ertappen, wie sie an ihn zurückfiel. Der Schock, an seine breite, feste Brust zu sinken, ließ sie sofort wieder in die Höhe schnellen und aufs neue versuchen, ihre erlahmende Haltung zurückzugewinnen.
»Entspannen Sie sich doch, Erienne«, ermahnte sie Christopher schließlich. »Sie werden mich noch früh genug los werden.«
Seine Worte erinnerte sie an das quälende Gefühl des Verlustes zurück, das sie erfahren hatte, als er das Haus hinter sich gelassen hatte und auch damals, als er langsam den Hof verließ. Die Erinnerung an den Kuß von ihm machte ihre missliche Lage nur noch unerträglicher. Mit anderen Männern hatte sie nur eine fröstelnde Erregung erlebt, wenn sie ihr ein Küsschen gestohlen hatten. Mit Christopher war das ganz anders gewesen, und sie fürchtete, dazu verurteilt zu sein, sich für den Rest ihres Lebens an seine leidenschaftliche Umarmung zu erinnern.
Die Dämmerung brach durch den Nebel, als sie Mawbry erreichten. Christopher schlug einen Bogen um den kleinen Ort bis zum Haus des Bürgermeisters und brachte das Tier neben der Hintertür zum Stehen. Da hinter dem offenen Fenster keine lauten Schnarchgeräusche zu hören waren, wußte Erienne, daß Farrell noch nicht nach Hause gekommen war. Gestützt vom festen Arm Christophers glitt sie vom Pferd. Sie streifte den Reitermantel ab, reichte ihn schnell zurück und war dabei, sich ohne weitere Worte von seiner Gegenwart zu trennen, als seine Frage sie aufhielt.
»Werden Sie mich denn nicht hineinbitten?«
Erienne drehte sich wütend um und sah, wie sie schon vermutet hatte, in dieses amüsierte und spöttisch herausfordernde Lächeln.
»Ganz bestimmt nicht!«
Christopher seufzte in gespielter Enttäuschung. »Das ist der Dank eines launenhaften Frauenzimmers!«
»Launenhaft!« rief sie entgeistert. »Sie wagen es, mich launenhaft zu nennen? Warum, Sie übergeschnappter Hanswurst! Sie … Sie …«
Er gab seinem Pferd die Sporen und setzte lachend in einem eleganten Sprung über den Zaun. Erienne stampfte mit dem Fuß auf und blickte ihm nach, während sie entsetzliche Verwünschungen vor sich hin murmelte. Noch nie hatte sie einen Mann gekannt, der so viel Vergnügen daran hatte, sie zu reizen, und es bereitete ihr den allergrößten Ärger, daß er sich dabei als so außerordentlich erfolgreich erwies.
***
Der späte Nachmittag brachte die Rückkehr Averys, und Erienne rang besorgt die Hände, als sie ihn mit langen, drohenden Schritten die Dorfstraße entlang kommen sah. Farrell war offensichtlich noch nicht in der Lage gewesen, von seinem nächtlichen Ausflug nach Hause zurückzukehren, und konnte Gott sei Dank nichts über ihre Rückkehr erzählen. Trotzdem hatte sie sich aus Angst vor der Reaktion ihres Vaters den ganzen Tag über in einem Zustand nervöser Wachsamkeit befunden. Ihr Gesicht verzog sich ängstlich, als er durch die Tür gestürmt kam und sie hinter sich ins Schloß knallte. Als er sie an der Schwelle zum Wohnzimmer stehen sah, hielt er inne und befreite sich umständlich aus seinem Mantel.
»Sieh mal einer an! Du bist also zu Hause? Und ich mach' mir den ganzen Weg über Sorgen, daß dich irgend so ein Schuft auf seine Lagerstatt verschleppt hat.«
Erienne war weit davon entfernt zu verraten, wie nahe er der Wahrheit war. Seit ihrem Auseinandergehen hatte Christopher sie so sehr in Gedanken beschäftigt, daß sie es mit Vergnügen begrüßt hätte, ihn vergessen zu können.
»Bei meiner Seel', Mädchen. Ich weiß wirklich nicht, was dir in den Kopf gestiegen ist. Du tobst und geiferst, wenn dich Smedley Goodfield anfasst, dabei weiß er doch genau, daß er dazu das Recht hat, wenn er dich heiratet.«
Ihr Magen krampfte sich vor Widerwillen zusammen. »Genau deshalb bin ich weggelaufen. Schon den Gedanken daran konnte ich nicht ertragen.«
»Aha!« Er sah sie an und kniff die Augen zusammen. »Du hast so deine eigenen Ideen, nicht wahr? Von diesem Seton, diesem Kerl hast du dich betätscheln lassen und nie etwas gesagt. Und da kommt jetzt ein guter Mann, der dich heiraten möchte, und plötzlich bist du wahnsinnig heikel, wo er seine Hand hinlegt. Glaube fast, daß du mit deinen hochgestochenen Vorstellungen auch schon mal daran gedacht hast, daß Mr. Seton gar nicht daran denkt, dich zu heiraten.« Er gluckste, als ob ihn das sehr amüsierte. »Natürlich ist der Herr mehr als bereit, sich mit
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