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Eine Sacerda auf Abwegen

Eine Sacerda auf Abwegen

Titel: Eine Sacerda auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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der
sich je gefragt hat, was aus mir geworden ist oder wäre, wenn ich nur unter den
richtigen Leuten aufgewachsen wäre. Es gab eine Frau, die mich aufzog, aber sie
war nicht gut zu mir. Für sie war ich nur ein Bastard. Ich habe sie getötet und
dachte, das Gleiche würde mit mir passieren und dann wäre das Elend endlich
vorbei. Aber ich überlebte. Seitdem habe ich viele Menschen getötet. Solche wie
du. Solche, die nur als Monster bezeichnet werden können und Unschuldige, Juno.
Ich habe viele unschuldige Leben auf dem Gewissen und ich habe es keinen Tag
bereut.”
Weil er an seine eigene Sicherheit denken musste oder es eben nicht geschafft
hatte, das Tier in sich zu kontrollieren. Er sagte ja nicht, dass er Gefallen
daran gefunden hatte, aber sie sollte wissen, dass er nicht unschuldig war,
falls sie ihn zu einem Teil immer noch dafür hielt, nur weil er nichts Genaues
über ihre Welt wusste, in die sie zwar nicht ganz aber doch mehr hineinpasste
als er.
    Juno
bedauerte fast, in seinen Augen diesen düsteren Ausdruck zu erkennen, der ihr
so bekannt vorkam. Auch wenn er meist durch eine abweisend kühle Maske
überdeckt wurde, die sie sich angeeignet hatte, um unliebsamen Fragen aus dem
Weg zu gehen. Wenn man ihr unterstellte aufgrund ihres Amtes, hochmütig und von
sich eingenommen zu sein, dann kam ihr das nur entgegen. Sie musste eben andere
Strategien anwenden als ein Mann, um ihre Umwelt auf Abstand zu halten.
Die Berührung seiner Lippen verstärkte kurzzeitig ihre körperliche Verbindung
und Juno kam es vor, als würde sie in eiskaltes Wasser geworfen werden, das
ihre Haut verbrannte, während sie seiner Erklärung lauschte. Sein Schmerz war
zu ihrem Schmerz geworden. Diese unendliche Einsamkeit, die er empfunden haben
musste. Unaufhaltsam wie die Fluten des Atlantiks stiegen ihr Tränen in die
Augen und ihr Herz wurde ihr schwer.
    „Du hast
getan, was du tun musstest…“, brachte Juno schließlich mit tränenbelegter
Stimme hervor, während sie in tröstend anmutender Geste über seine Wange und
seinen Hals streichelte, um sie dann auf seiner Schulter zur Ruhe kommen zu
lassen. Er meinte so voller Stärke zu sein, doch Juno spürte genau diesen
weichen Kern, den er vor allen und auch vor sich selbst verborgen hielt.
    Vielleicht
hatte er aber doch eine Wahl gehabt, was das Töten Unschuldiger anging. Er
hätte seinem Leben ja selbst ein Ende setzen können. Juno war sehr großzügig,
ihm in seinem Handeln keine andere Möglichkeit einzuräumen. Ihre Hand in
tröstender Geste auf seinem Gesicht zu spüren, tat gut. Nur verdient war dieser
Trost eher nicht. Er nahm ihn trotzdem an. Noch immer hungerte er nach ihrer
Zuneigung und ihrer Nähe. Wenn sie wütend auf ihn gewesen wäre, hätte es ihn
sowieso nur in die Flucht und die erneute Einsamkeit getrieben, selbst wenn er
ihren Zorn eher verstanden hätte als ihr Verständnis.
“Willst du mir immer noch nah sein, Juno?”, fragte Chadh leise und wusste
gleichzeitig, dass er es ihr sofort ansehen würde, wenn sie log oder ihm
ausweichen wollte. Die Spannung zwischen ihnen schien mit einem Mal so greifbar
geworden zu sein wie die Strähne ihres Haars, die er immer noch zwischen den
Fingern gefangen hielt.
    „Ja, Chadh,
ich will dir immer noch nah sein…“
Sein Leid erschien ihr unerträglich. Schließlich kannte sie selbst genug
Männer, die genau sein Alter hatten. Manasses, Urien und seine Mannen genau wie
die amerikanischen Krieger waren alle Ende des 17. Jahrhunderts auf die Welt
gekommen. Sie waren in ein sicheres Zuhause hineingeboren worden und man hatte
sie von klein auf auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet.
„Es tut mir so leid, Chadh, auch wenn es nur leere Worte für dich sind… Ich
habe kein Mitleid mit dir, ich fühle mit dir. Aber die Vorstellung tut mir weh,
wie diese Frau mit dir umgegangen sein muss. Ohne die Anleitung von Manasses
und der Frauen seiner Familie hätte ich bestimmt nicht überlebt oder eben auf
die althergebrachte Weise mit dem Blutdurst zurechtkommen müssen. Ich kann
nicht wissen, zu was ich fähig gewesen wäre, weil ich niemals Hunger gekannt
habe außer dem, den ich mir selbst auferlegt habe. Und so harmlos ich dir
erscheinen mag, Chadh, meine Kräfte können genauso gut Menschen töten, wenn man
nicht gelernt hat, richtig mit ihnen umzugehen…“
Sie würde mit den Jahren tödlicher werden, immerhin war sie erst seit 30 Jahren
ein Immaculate. Wäre sie vor 300 Jahren umgewandelt worden, wäre

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