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Eine Sacerda auf Abwegen

Eine Sacerda auf Abwegen

Titel: Eine Sacerda auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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allermeisten werde ich dich vermissen!
    “Nimm zurück,
was du da draußen gesagt hast, Juno. Noch ist Zeit dafür. -Ich kann nicht
zulassen, dass du das für mich tust. Ich verstehe nicht einmal, wie du auf so
eine Idee kommen kannst. Dein Angebot, mir zu helfen, in allen Ehren, aber das
hier ist vollkommen sinnlos und für das, was du getan hast, vollkommen
unangemessen. Ich habe gesagt, ich nehme jede Bestrafung an. Auch den Tod. Ich
verdiene ihn. Du nicht. Denk doch an deine Tochter. Was wird sie jetzt fühlen,
nachdem du sie zum zweiten Mal im Stich lässt?”
Ja, Chadh musste solch harte Worte sprechen, weil er fürchtete, sonst nicht
durch ihren Panzer dringen zu können, mit dem sie sich gerade wieder deutlich
fühlbar umgab. Viel brauchte es nicht, um diese Mauern zu brechen. Aber Chadh
rannte sie mit all seiner verbliebenen Kraft ein, damit es ein für alle Mal
eine Entscheidung und kein Weg zurück gab.
“Sie braucht dich, Juno. Du kannst alles wieder gut machen. Mich braucht
niemand. Die Leute da draußen kennen mich nicht und werden mich nicht
vermissen. Ich gehöre nicht zu ihnen. Doch Sid ist ein Teil von dir. Du hast
sie geboren und stets nur das Beste für sie gewollt. Denk jetzt ebenfalls
daran, was das Beste ist, Juno. Der Tod sicher nicht. Nicht, wenn du das
zurücklassen musst, was du am allermeisten vermissen wirst.”
Damit meinte er tatsächlich Sidonie. Traurig hielt er ihrem Blick stand. Er war
nicht wichtig. Sie dagegen hatte einen Platz in ihrem Leben, den sie ausfüllen
musste. Eine Aufgabe, für sie bestimmt war, ob sie nun freiwillig in diese
Berufung gegangen war oder nicht. Er dagegen war übrig. Er konnte dem Tod
gelassen ins Auge sehen und würde wissen, dass sich die Welt auch ohne ihn
immer weiter drehen würde. Ohne Juno würde zumindest die ihrer Tochter eine
ganze Weile stehenbleiben und mehr als ein Leben brauchen, um sich von diesem
Verlust zu erholen.
    „Du irrst
dich… Sie braucht mich nicht! Für sie bin ich doch eigentlich schon gestorben…
Sidonie hat eine neue Familie und Freunde, die sie sehr schnell über den
Verlust hinwegtrösten werden. Ich werde bald verblasst sein wie eine
geisterhafte Erscheinung. Ich habe in ihrem Leben keine Spuren hinterlassen,
keine Erinnerungen und keine Gemeinsamkeiten, die später schmerzen könnten. Ich
werde nicht von meinem Vorhaben abweichen, egal was du sagst!“
Juno erwiderte Chadhs Blick mit stoischer Ruhe. Das Blau darin schien mit einem
Mal so hell zu leuchten, als wollte er sie Kraft seiner Gedanken bezwingen. Ihr
schwindelte davon, bis sie beinahe in dem eisigen Sturm verloren schien.
“Oh, Chadh… Chadh… Murchadh …”, wisperte sie atemlos mit einem Hauch der
zauberhaften Stimme, ohne ihn absichtlich becircen zu wollen. Murchadh. Das war
sein Name, der von einem großen Mann kündete. Würde er das werden?
Juno löste eine Hand aus seinem Griff, um mit den Fingerspitzen den Kieferknochen
entlang fahren zu können, der zu seinem ausgeprägten Kinn führte, dessen Form
seinen Besitzer als eigenwillige Persönlichkeit verriet. Junos Mund umspielte
ein verträumtes Lächeln, das jedoch den Schmerz in ihren Augen nicht
auszulöschen vermochte. Sie legte den Kopf etwas zur Seite und sah sich unter
schweren Lidern im Zimmer um, als würde ihr gerade erst bewusst werden, wo sie
sich aufhielten. Lag ein besonderer Zauber auf diesem Ort? Sie hatte das
Gefühl, das ihre Emotionen aus ihr heraus flossen und von den Wänden
zurückgeworfen wurden, um immer stärker in ihr zu wirken.
    „Hier in
diesem Raum… Du kannst es nicht wissen…“, begann Juno geistesabwesend, als
würde sie mit sich selbst sprechen.
„Sie wissen nicht, wie sehr es mich trifft, ausgerechnet hier auf die
Vollstreckung des Urteils zu warten… Es gibt Strafen, die sind schlimmer als
der Tod. Hier ziehen sich Paare zurück, nachdem sie vom Orakel den Segen
empfangen haben und miteinander verbunden worden sind. Ich habe erst vor ein
paar Tagen einer solchen Zeremonie beiwohnen müssen…“
Juno schloss einen Moment gequält die Augen, ohne ihm zu sagen, wie sehr sie
sich wünschte, sie könnten sich unter völlig anderen Umständen hier in diesem
Raum aufhalten. Als sie die Augen wieder aufschlug, lag ein neuer Tränenfilm
über ihnen und die Schwermut darin schien sich noch weiter verstärkt zu haben.
„Ich versuche doch, alles wieder gut zu machen… Ich ahnte, dass du einer
besonderen Familie entstammen musst, Chadh… Ein Formwandler tut das immer.

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