Eine Sacerda auf Abwegen
allein mit sich gelassen.
Den mentalen
Hinweis nahm Chadh schnaubend zur Kenntnis. Er würde es sich in einer Nacht wie
dieser sicher nicht allzu gemütlich machen. Nicht, wenn er wusste, dass Juno
schon in ein paar Stunden sterben musste. Seinetwegen.
Ohne einen Blick auf sie werfen zu müssen, wusste er, dass sie da war. Er
wusste sogar, dass sie lag und wie schlecht es ihr ging. Sobald die Türen des
Raumes hinter seinem Rücken verriegelt worden waren, wandte er sich ihr zu.
“ Juno! ”,
flüsterte er ihr in der typischen Art ihren Namen zu sagen zu.
Die Kapuze ihres Ornats war weit über ihr Gesicht geglitten, sodass er
lediglich einen Schemen ihres Kinns ausmachen konnte, das nicht ganz verborgen
lag. Ihre Haare hatte sie ja zusammen gebunden. Wie gern würde er seine Hände
ein letztes Mal darin vergraben. Doch das ging nicht. Er war gefesselt und
außerdem musste er sie dazu überreden, sich die Sache tatsächlich noch einmal
anders zu überlegen. Sie durfte nicht sterben. Nicht sie. So etwas
Wunderschönes, Kostbares. Sie, die ihn gerettet hatte und beständig versuchte,
ihn in einem guten Licht darzustellen, in dem sie bereits badete. Nur, dass
keiner der anderen hatte sehen wollen, wie gut sie war. Langsam trat Chadh auf
die Liege zu, auf der Juno sich nicht mal rührte. Erst als das Rasseln seiner
Fesselkette beim Gehen als einziges Geräusch in diesem Raum lauter wurde,
horchte sie auf und hob das Gesicht. Der seidig geschmeidige Stoff der Kapuze
glitt fort und der ungläubige Ausdruck auf ihrem schönen Antlitz ließ ihn fast
vergessen, was er vorhatte. Sie betörte ihn. Schon wieder. Und das ohne nur ein
Wort gesungen oder gesagt zu haben.
“Juno!”, hob
Chadh erneut an und trat rasch vor, um sich vor die Liege zu knien, ihre
schmalen Hände in seine zu nehmen und sie so flehend anzusehen, wie er nur
konnte. Er konnte sie nicht küssen, obwohl er nichts lieber getan hätte. Jedoch
musste er an sich halten. Zu ihrem Wohl. Das war nicht schwer, nach allem was
er allein in dieser Nacht getan, gesehen und erfahren hatte.
Er hatte Junos schlimmsten Feind getötet, er war von den Kriegern der
Immaculates gefangen worden, hatte seinen Cousin und seine Tante kennengelernt
und schließlich durch die Zauberkräfte des kleinen braun gelockten Mädchens
namens Nico den Geist seiner Mutter gesehen. Ein Anblick, den er nie vergessen
würde. Genauso wenig wie Juno, nach der er sich so sehr verzehrte, ohne zu
wissen, wie das bei einem Mann wie ihm überhaupt möglich sein konnte.
Oh, Gott,
wie sollte sie das aushalten?! Juno starrte Chadh ungläubig entgegen und
konnte sich nicht rühren. Sie durfte ihren Gefühlen nicht nachgeben, aber in
seiner Nähe würde sie die Qualen kaum ertragen können. Das war schlimmer als
der bevorstehende Tod, der schnell und gnädig sein würde. Sie würde hier
gezwungen sein, sich stundenlang mit Chadh in einem Raum aufzuhalten? In diesem Raum?!
Hier hatte Pia Nicolasa vor kurzem gelegen und die frohe Botschaft ihrer
Schwangerschaft verkündet bekommen. Und davor hatten sich unzählige Paare hier
aufgehalten, deren Zuneigung und Leidenschaft füreinander sich beinahe greifbar
in den Räumlichkeiten manifestierte.
Sag meinen Namen wieder und wieder, mehr muss ich nicht hören…
Juno gab sich die größte Mühe, ihren Gefühlsaufruhr vor Chadh zu verbergen. Die
Berührung seiner Hände allein genügte, um sich am Rande der Selbstbeherrschung
wiederzufinden. Ihr Herzschlag raste, ihr Atem ging schwer, obwohl sie
versuchte, ihn so flach wie möglich zu halten, damit er es nicht merkte. Eine
trügerische Wärme kroch ihre Arme hinauf, die ihren Körper zu verräterischen
Reaktionen verführte, deren Kontrolle sich ihrem Willen entzog. Ihre Wangen
fühlten sich an, als würden sie glühen und sie hoffte, dass sie nicht mehr
genug Blut in sich hatte, damit sich daraus eine sichtbare Röte bilden konnte.
Seinem Blick und seinen Worten standzuhalten, ohne mit der Wimper zu zucken,
schien ihr unmöglich und doch gelang es ihr. Darauf hatte sie sich immer
verlassen können… Ihr Wille würde niemals brechen. Der Lord hatte es nicht
fertig gebracht und auch das Orakel der Immaculate würde daran scheitern. Es
war ihr jedoch kein wirklicher Trost, weil sie die brennenden Gefühle nicht
auslöschen konnte, die sie Chadh entgegenbrachte. Sie hatten nichts mit kühler
Berechnung zu tun, sie waren wie glühende Eisen, die man durch ihr Herz bohrte,
bis es drohte zu zerbersten.
Am
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