Eine Sacerda auf Abwegen
Worten des Orakels all
seine Emotionen tief in sich drin ein, atmete flach und schluckte immer wieder
so schwer, als blockierten Steine seine Kehle, damit auch das noch so kleinste
Flüstern wirklich unten blieb. Den harten Boden unter den Knien spürte er gar
nicht. Die Anspannung, die Junos Körper ergriff, als sie ihn das erste Mal
wirklich wahrnahm, umso mehr.
Endlich
schaffte Juno es, den bemüht demütigen Blick zu der Frau anzuheben, die das Recht
hatte über Leben und Tod zu bestimmen, und sie für immer ein Fegefeuer puren
Leidens zu stürzen, dem sie niemals wieder entkommen würde.
„Mich
erstaunt Ihre Überraschung, mein Kind… Haben Sie etwa damit gerechnet, dass
Devena Gwénaëlle als Arbitra Omnia sich über die Gesetze unserer Rasse
hinwegsetzen würde, nur um Ihren Neffen zu schonen?“, fragte das Orakel mit
trügerisch sanfter Stimme.
Juno
schluckte die Antwort herunter, die ihr auf der Zunge lag. Ein lautes und
deutliches JA!
Ihre Lippen bebten und sie musste sie fest zusammen pressen, während sie
spürte, dass verräterische Röte in ihre Wangen schoss. Ihre Lider flatterten
nervös, als sie kurz zur Seite sah und den blitzenden Stahl von Flavias Klinge
bemerkte.
„Es ist ein
sehr schweres Vergehen, einen Mörder zu decken, Honora Nuntia … Eine
Tatsache, die Ihnen als Inhaberin dieses Amtes nicht fremd sein dürfte.
Murchadh, Sohn von Muirgheal Fontanus, ist des Mordes an Tulip Argentum
überführt worden und hat sich den Gesetzen der Immaculate unterworfen. Bereit
jedes Urteil anzunehmen, das ich als höchste Richterin unserer Rasse über ihn
sprechen werde.“
Juno dachte
einen Moment, ihr würden die Sinne schwinden, doch sie blieb aufrecht stehen,
den Blick starr auf das alterslose Antlitz des Orakels geheftet, weil sie es
nicht über sich bringen konnte, Chadh anzusehen. Sie wich nicht einmal zurück,
als Flavia neben sie trat, wobei sie die Klinge ihres Schwertes einmal locker
aus dem Handgelenk schwang, so dass der kalte Stahl bedrohlich vor ihrem
Gesicht aufblitzte.
„Ich gebe
Ihnen die Möglichkeit, sich von ihren Sünden reinzuwaschen, Juno… Nehmen Sie
das Schwert und führen Sie an Flavias Stelle die Klinge zu Ihrer Bestimmung.
Blut für Blut…“, sprach das Orakel, als Juno keinerlei Reaktion auf die Anklage
gezeigt hatte, doch das änderte sich natürlich angesichts des schockierenden
Vorschlages, der Juno veranlasste, die Augen weit aufzureißen und endlich die
Stimme zu erheben, die sich immer noch nicht von ihren früheren Gesängen und
dem vorherigen Angriff des Lords erholt hatte.
„Nein… Ich
kann das nicht… Er verdient diese Strafe nicht. Es war bestimmt ein Unfall! Wie
sollte er das verhindern, wenn er keine Kontrolle über das Formwandeln hatte?
Es hat nie eine Bluttaufe stattgefunden, er war verloren und ganz allein auf
sich gestellt!“
Chadh
erschauerte ob der Härte des Orakels. Vor aller Augen ging sie mit Juno ins
Gericht und ließ nicht die geringste Milde walten, obwohl die Nuntia ganz
offensichtlich kurz vor einer Ohnmacht stand. Sein gegebenes Versprechen, nicht
aufzubegehren verflüchtigte sich im Nu, als man Juno zwingen wollte, ihn zu
töten. Das konnten sie ihr doch nicht antun. Das durfte nicht sein.
NEIN!
Sein Schrei erstarb ungehört und ohne dass sich seine Lippen überhaupt bewegt
hatten. Sein Mund fühlte sich plötzlich an, als habe man unsichtbares Klebeband
darüber geklebt.
~Du gabst uns dein Versprechen, Junge.~ , hörte er die eigentlich nicht
sehr zornig klingende Stimme des Orakels in seinem Kopf und dann fühlte er sich
mit einem Mal wieder gelassen und ruhig. Sie hatte ihn mit ihren Kräften
gebändigt, damit er nicht in ihre Pläne dazwischen funkte. Niemand setzte sich
über das Orakel hinweg. Kein kleiner Formwandler und erst recht keine Nuntia,
die wusste wo ihr Platz war und was sie sich herausnehmen durfte. Und sei sie
noch so traumatisiert.
Das Orakel
lächelte schmal: „Und doch haben Sie sich angemaßt, dem Angeklagten Ihre Hilfe
anzubieten und ihn vor uns verborgen zu halten. Ohne die Bluttaufe wären Sie
niemals in der Lage gewesen, die Fähigkeiten je im Zaum halten zu können. Sie
haben also in Kauf genommen, dass es weitere Tote geben würde. Mir scheint
tatsächlich, dass er die Strafe nicht verdient sondern Sie!“
Juno
schwankte, als sie die Macht der Worte des Orakels wie eine riesige Welle traf,
die sie unter sich zu begraben drohte. Die Haut an ihrem Körper überzog sich
mit einer Gänsehaut, dann
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