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Eine Sacerda auf Abwegen

Eine Sacerda auf Abwegen

Titel: Eine Sacerda auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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Ich
hätte dich drängen sollen, dich dem Orakel zu stellen, damit sie dir bei der
Suche nach deinen Wurzeln helfen kann. Ich habe es nicht getan, weil… Ich war
selbstsüchtig… Ich wollte dich nicht an sie verlieren… Ich wollte nicht, dass
du Teil von der Welt bist, die ich niemals akzeptiert habe… Ich habe deine
Unwissenheit ausgenutzt und dir einen Vorschlag gemacht, dem du kaum
widerstehen konntest… Ich musste nicht einmal meine Fähigkeiten einsetzen… Ich
habe dich in… in kalter Berechnung an mich gebunden… Ich wollte dich ganz
allein für mich behalten!“
Juno ließ die Hand sinken und legte sie über die schwere Fessel an seinen
Handgelenken, als wollte sie damit ausdrücken, dass sie ein Symbol für ihre
Pläne sein könnten. Er würde gegen ihre Anmaßung aufbegehren, sie setzte
darauf, dass es ihm zuwider war, wenn andere über seinen Kopf hinweg
bestimmten. Wenn er wütend auf sie wurde, dann würde er sie nicht durchschauen.
    „Dieses Band…
Es ist zerrissen. Das Blut von deiner Tante hebt es auf… Du bist frei, Chadh.
Du kannst ganz von vorne beginnen und den Platz in der Gesellschaft einnehmen,
der dir von Geburt an zusteht. Sie werden dich mit offenen Armen empfangen. Ich
habe den Ausdruck in den Augen deiner Tante gesehen. Sie würde dich vermissen
und noch viel mehr. Was mich betrifft… Ich kann nicht zurück… Ich kann es nicht
noch einmal durchstehen… Das erste Mal war schon unerträglich, dieses Mal… es
wird mich sowieso umbringen.“
Juno sah von ihren verschlungenen Händen eindringlich zu ihm auf. Sie sprach
ihre Gefühle für ihn nicht direkt aus, weil er sich dann vielleicht aus
Ehrenhaftigkeit oder Mitleid dazu verpflichtet fühlen würde, ihr ihren Plan
weiterhin ausreden zu wollen.
Wenn einer von ihnen beiden sterben musste, dann sollte derjenige gehen, dessen
Herz für immer vergeben sein würde. Chadh konnte wirklich einen Neuanfang
starten, sie würde er dann wirklich vergessen, so wie sie das niemals fertig
bringen würde. Kein Blut der Welt würde ihn aus ihrem Herzen waschen können.
Juno war so in ihrer Trauer und ihren Verlustängsten gefangen, dass sie nicht
mehr daran dachte, dass der Anhänger um ihren Hals, den sie unter der Kutte
verborgen trug, aufgrund von Chadhs Nähe und ihrem ungebrochenen Hautkontakt
reagieren würde. Auf ihrer Brust breitete sich langsam ein rosa getönter Lichtschein
aus, der im Zentrum immer intensiver rötlich glühte, als würde ihr Herz
wirklich offen liegen und ihm mitteilen wollen, wie es wirklich um sie stand.
     
    In den
Gemächern der Patrona
    Gwen stand
händeringend am Feuer des Kamins in ihrem elegant ausgestatteten Salon. Sie war
soeben von einem offiziellen Besuch aus der Stadt zurückgekehrt und trug noch
das feierliche Ornat der Arbitra Omnia . Sie hatte all ihren Einfluss in
die Waagschale gelegt, um einen Weg zu finden, wie sie Murchadh retten konnte,
aber sie wusste nicht, ob es genügte.
Man hatte ihr nicht erlaubt, dem Verhör zwischen Theron und Murchadh
beizuwohnen und es war ihr unsagbar schwer gefallen, sich der Bitte von Theron
und dem anschließenden Befehl des Orakels zu beugen. Sie wollte den Sohn ihrer
geliebten Schwester endlich in ihre Arme schließen können. Sie wusste nun
natürlich über seine Taten, konnte sein Handeln aber nachvollziehen. Immerhin
hätte Ash an seiner Stelle sein können. Und sie spürte genau, dass er nicht
durch und durch böse war, auch wenn er das von sich annahm und behauptet haben
mochte. Was sollte er sonst denken, wenn es ihm nicht gelang, den Blutdurst
unter Kontrolle zu bekommen?
    „Komm herein,
Flavia!“, bat Gwen leise und sah nicht zur Tür, an die gerade jemand hatte klopfen
wollen.
    Orsens Mutter
betrat den Raum mit wehendem Cape, das sie über ihre freizügige Montur geworfen
hatte. Sie warf dem schmalen Rücken von Ashurs Mutter einen mitfühlenden Blick
zu. Sie war in ihren Augen immer noch ein unbedarftes Mädchen, auch wenn eine
überraschende Stärke in dieser zarten Person steckte, die dem Lord lange
aufrechten Widerstand geboten hatte. Und damals war sie wirklich noch ein Kind
gewesen.
    „Glaubst du,
dass er es wert ist?“, fragte Flavia ihre Freundin und nahm auf der stabilsten
Sitzgelegenheit im Raum Platz, die zufällig auch ein Diwan war, der natürlich
nicht so opulent ausstaffiert war wie in dem Warteraum neben dem Altarsaal. Er
entsprach mehr dem feinen Geschmack der Patrona des Hauses Fontanus.
Gwen fuhr mit blitzenden Augen zu ihr herum

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