Eine Sacerda auf Abwegen
war furchtbar aufgeregt und nervös, weil heute der Tag der Tage war und
ihre Mutter ausgerechnet in der Woche vor dem Termin nach Europa berufen worden
war. Sie hatte es mit der Angst zu tun bekommen, dass Juno es sich mit der
Doppelhochzeit vielleicht anders überlegt hatte. Immerhin war sie in ihrer
Begeisterung vielleicht etwas zu überrumpelnd gewesen, nachdem ihre Mutter ihr
erzählt hatte, dass Chadh ihr einen Antrag gemacht, den sie sofort angenommen
hatte.
Juno lächelte
angestrengt, obwohl ihr Lächeln sich sichtlich erwärmte, je länger sie in das
strahlende Gesicht von Sidonie blickte, die trotz ihrer Besorgtheit ihr Glück
kaum verbergen konnte. Sie war etwas später dran, als sie beabsichtigt hatte.
Immerhin hatte sie ihrer Tochter ihre volle Unterstützung versprochen.
Juno hatte tatsächlich Bedenken wegen der Doppelhochzeit, aber nur weil sie
ihrer Tochter den schönsten Tag nicht verderben wollte. Juno selbst wusste
nicht recht, ob sie in das Bild der glücklichen Braut passte. Sie war kein
Bisschen aufgeregt oder unsicher. Es sollte eigentlich nur eine einfache und
stille Trauung werden, was nun natürlich nicht mehr möglich war. Sidonie sollte
all ihre romantischen Vorstellungen erfüllt bekommen. Das war das Mindeste, das
sie für ihr Kind tun konnte, das sie viel zu lange vernachlässigt hatte. Sie
hatte ihren Auftrag pflichtbewusst erfüllt, ohne auf die Hilfe einer
ausländischen Nuntia zurückzugreifen, weil es ihr nicht im Traum
einfallen würde, das eigene Vergnügen über ihre Aufgabe zu stellen. Sie konnte
ja eigentlich nicht mehr viel tun, um die Hochzeit vorzubereiten, da sie im
Castle stattfand und Sidonie die Hilfe von Freunden und Familien erfuhr.
„Entschuldige,
Sidonie. Ich wäre gestern schon angereist, aber ich bin in London aufgehalten
worden…“ Juno drückte ihre Tochter an sich, um ihren Gesichtsausdruck vor ihr
zu verbergen, der sich kurzzeitig verdüsterte.
Der London-Aufenthalt hatte nicht wirklich etwas mit ihrer Tätigkeit als Nuntia
zu tun gehabt, im weiteren Sinn jedenfalls nicht. Devena Isadora Faelis hatte
sie zu sich bestellt, die formidable Mutter von Manasses, die sie beide gern in
einer Verbindung gesehen hätte, damit er einen strammen Krieger in die Welt
setzen konnte, der eines Tages seine Nachfolge übernehmen sollte. Juno hätte beinahe
die filigrane Teetasse in ihrer Hand zerbrochen, als der alte Drachen es wagte,
Chadhs Stammbaum anzuzweifeln. Sie war mehr als froh darüber, dass Devena
Gwénaëlle sich bereit erklärt hatte, die Verbindungszeremonie zu vollziehen, so
dass Manasses’ Mutter nicht extra dafür anreisen musste. Obwohl sie gestern
angedeutet hatte, es wäre ihr lieber, Juno würde noch warten und den Mann nach
Europa bringen, damit man ihn besser kennen lernen konnte. Sezieren wäre
wahrscheinlich der passendere Ausdruck gewesen. Juno hatte sich vorgestellt,
den Leoparden während der Teestunde auf sie zu hetzen, nur um ihre Beherrschung
nicht zu verlieren. Es fiel ihr schwerer, das alte eisige Auftreten
beizubehalten, wenn es um Chadh ging.
„Haben wir
eigentlich noch genug Zeit? Du kannst dich doch kaum richtig erholt haben.“,
begann Sidonie besorgt, die sich langsam in die Aufgaben einer Nuntia einlas
und nun wusste, dass es dabei um eine zuweilen sehr nervenaufreibendes bis
gefährliches Amt handeln konnte.
Juno lächelte beruhigend und umfasste die Schultern ihrer Tochter sanft, um sie
zurück auf den Hocker zu drücken, weil das helfende Mädchen schon nervös auf
die Uhr äugte.
„Keine Sorge,
ich bin schließlich First Class geflogen, ich konnte schlafen.“ Sie platzte
lauthals mit einem befreiten Lachen heraus, als Sidonie sie ungläubig und
ziemlich konsterniert anstarrte, als wäre Schlafen gerade das Letzte, was sie
sich erlauben durfte. Natürlich, die Braut sollte ein Nervenbündel sein und
nicht die Ruhe in Person.
Juno stellte sich hinter ihre Tochter auf und legte ihr beide Hände auf die
Schultern, um ihren Blick im Spiegel zu suchen. Die Ähnlichkeit wurde immer
verblüffender, weil sie sich endlich Ruhe und regelmäßige Nahrungszufuhr
gönnte. Sie hatte so viel Schlaf nachgeholt, dass sie sich schon wie das
verzauberte Dornröschen vorkam. In Europa war es etwas schwieriger gewesen,
Schlaf zu finden, weil Chadh nicht mehr an ihrer Seite weilte, doch auf dem
Flug hatte sie trotz aller Vorfreude und in der Gewissheit, ihn bald wieder zu
sehen, seelenruhig schlafen können.
„Ich bin so
nervös!“, gestand
Weitere Kostenlose Bücher