Eine Sacerda auf Abwegen
Sid mit einem leicht gequälten Lächeln, obwohl ihre Augen wie
Sterne strahlten und teilte den seidenen Morgenmantel um kritisch an sich
herunter zu sehen.
„Soll ich wirklich… Ich meine, ist das passend, ich glaube, man kann es schon
ein wenig sehen…?“
Juno küsste
ihre Tochter auf die rosig angehauchte Wange und lächelte nachsichtig und
mitfühlend.
„Man sieht es kaum… Dazu braucht es schon sehr scharfer Augen und es wird
einfach bezaubernd aussehen.“
Sids Wangen
wurden einen Ton dunkler und in ihre Augen schlich sich ein ungezogener
Ausdruck.
„Also mir wäre lieber, ihm würden auf der Stelle die Augen ausfallen. Er kann
ja äußerst scharf gucken, der gute Malcolm.“
Juno kicherte
mädchenhaft und tauschte mit ihrer Tochter einen verschwörerischen Blick: „Dann
sollte ich mich mit dem Umziehen besser beeilen, du scheinst mir doch mehr
ungeduldig als nervös zu sein!“
Eine
Stunde später
Obwohl es
eine relativ kleine, überschaubare Hochzeit sein würde, waren genug hochrangige
Persönlichkeiten anwesend, um sie als exklusiv einstufen zu können. Die Patrona
des Hauses Fontanus würde die Zeremonie durchführen, da Murchadh ihr Neffe war.
Somit konnte Juno zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, da Sidonie einen
ranghohen Enforcer ehelichen würde, der dem Mann der Devena unterstand. Devena
Isadoras Segen oder Anreise war dadurch überhaupt nicht von Nöten. Dieu
merci!
Manasses höchst persönlich holte sie in Sidonies Zimmer ab, um sie nach unten
bis zur Tür zum Altarraum zu geleiten, wo Theodor Lancaster die Braut seines
Bruders in Empfang nahm, da ihr Vater ja leider nicht mehr am Leben war, um sie
zum Altar zu führen. Am Arm ihres Vorgesetzten, der natürlich seine
Kriegermontur trug, fühlte Juno nun doch einen leisen Anflug von Nervosität in
ihrem Magen flattern, weil sie Chadh nun eine ganze Woche lang nicht gesehen
hatte. Drei recht kurze Telefongespräche hatten sie in der Zeit geführt, da er
sich gerade in der Mangel von Ashur und Devena Catalina befand, um ihm
beizubringen, seine Fähigkeiten als Formwandler endlich unter Kontrolle zu
bekommen. Sie hatte ihm natürlich wie versprochen bei den ersten Kämpfen
geholfen, doch die letzten Schritte konnten nur andere Formwandler selbst mit
ihm gehen.
Als Nuntia hätte sie das Recht gehabt, zuerst den Saal zu betreten, doch Juno
wollte nicht zu sehr im Rampenlicht stehen, obwohl das nun unvermeidlich wurde,
weil sie sich durch die Begeisterung ihrer Tochter hatte anstecken lassen,
nachdem sie ihr gegenüber eine kleine Andeutung über die Priesterinnen des Baal
hatte fallen lassen. Jegliche Unsicherheit war von Sidonie abgefallen und, wie
es schien, auf sie übergegangen, weil sie es einfach nicht mehr gewohnt war,
figurbetonte Sachen zu tragen.
Mutter und
Tochter trugen beide dieselbe Robe, die den Namen eigentlich nicht verdiente,
weil sie mehr ent- denn verhüllte. Der Stoff war eine exquisit schwere
glänzende Seide in strahlendem Weiß und ahmte die altertümlichen Gewänder der
Sacerdas nach. Sie war zu einem Bustieroberteil geformt worden, das die
Schultern frei ließ und dafür bauschige Ärmel besaß, die längsseits
aufgeschnitten waren, um die beiden schweren Goldreifen zu enthüllen, die ihre
Oberarme zierten. Um den Hals trugen sie ebenfalls den schweren Goldschmuck.
Der bodenlange Rock mit dem goldverbrämten Saum um die Hüfte fiel in einem
sanften Schwung auf den Boden und ein Schlitz enthüllte bei jedem Schritt die
nackten Beine und die Füße, die in goldenen Sandaletten steckten, deren
Zierbänder sie sich um die Unterschenkel geschlungen hatten. Das war der
einzige Bruch mit der Vergangenheit, da sie sonst barfuß hätten sein müssen und
das bei der späteren Feierlichkeit und dem Tanzen nicht gerade praktisch
gewesen wäre.
Beide Frauen trugen ihre Haare nicht hochgesteckt, die goldenen Wellen fielen
ihnen effektvoll auf die Schultern und bei Juno erreichten die langen Strähnen
sogar den Rockteil des Ensembles auf Hüfthöhe.
Aus Freundschaft zu Sidonie hatte Pia Nicolasa sich bereiterklärt, die Inscriptio bei beiden Männern durchzuführen, weil sie ja auch Chadh schon ziemlich gut
kannte. Immerhin verarztete sie meist seine Wunden nach den Trainingskämpfen
und hatte ihm ermöglicht, sich mit seiner verstorbenen Mutter auszutauschen.
Juno hatte recht ungeschickt einen Weg gesucht, sich für ihre Hilfe zu
bedanken, war jedoch kläglich gescheitert, weil das Mädchen ihr die Sprache
geraubt hatte.
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