Eine Sacerda auf Abwegen
Und das einer Nuntia. Juno musste sich eingestehen, dass sie
selbst nicht so schnell bereit wäre, jemandem zu verzeihen, der sich ihr
gegenüber so verhalten hatte wie sie der Sophora gegenüber, die ja für Sidonie
nur das Beste wollte.
Diese Gedanken waren aber schnell vergessen, als die Türen zum Saal sich
öffneten und Sidonie an Theodors Arm den Weg voranschritt, den sie dann
ebenfalls nahm, nachdem sie einen kurzen Blick mit Manasses getauscht hatte,
der ihre Hand, die auf seinem Arm ruhte, aufmunternd drückte.
Sid konnte
sich kaum auf Theos „wohlmeinende“ Worte konzentrieren, die ihr nur noch mehr
Röte in die Wangen trieben, als er ihr Outfit auf seine charmante Art und Weise
kommentierte. Er wollte sie bestimmt nur von der ganzen Aufregung ablenken,
aber er erreichte damit lediglich, dass ihr der Vollmond nur mehr und mehr
bewusst wurde. Ihr Atem stockte, als sie Malcolm auf der Treppe erblickte, auf
dessen Brust nun ihr Name in blutigen Striemen prangte.
Ihr aufrechter dunkler Ritter! Und wie er sie ansah!
Sids Herz schien explodieren zu wollen und sie hätte sich beinahe von Theo
losgemacht, um in seine Arme zu rennen und einfach so mit Liebesschwüren
herauszuplatzen, die ihr auf der Zunge lagen. Dieses Mal musste Theo sie also
vom Laufen abhalten und nicht dazu ermuntern. Sie sah nur noch Malcolm und
niemanden sonst.
Juno erging
es ähnlich, obwohl sie sich für solche Anwandlungen eigentlich als zu abgeklärt
und vernünftig erachtet hatte. Sie stand regelrecht in Flammen von der Sekunde
an, als sie die Schwelle zu diesem Raum überschritten hatte und mehr mit jedem
weiteren Schritt, den sie auf Chadh zuging, der hinter Malcolm auf den Stufen
stand und ihr entgegenblickte. Diesen wilden Blick in den Augen, der dennoch
kühl genug war, um sie bis in die Fußspitzen erschauern zu lassen. Sie musste
gerade feststellen, genauso atemlos zu sein wie ihre Tochter, die eben die Hand
ihres zukünftigen Mannes nahm und in absoluter Verzückung zu ihm aufblickte.
Drei kurze
Telefongespräche.
Viel zu wenig, um Juno all das zu sagen, was ihm auf der Zunge gelegen hatte.
Seine Fortschritte, die Schläge, die er einstecken musste und austeilte. Die
neuen Freunde und die Familie, die ihn aufnahm und ihn für seine Fehler nicht
weiter strafte, sondern zeigte, wie er es besser machen konnte. Die
Trainingseinheiten mit Ash und Catalina machten ihm sehr viel Spaß, wobei er
schon Verletzungen, verursacht durch sein eigenes immer noch ungezügeltes
Temperament, davon trug, die ihm diesen verleiden konnten. Doch Chadh blieb bei
der Sache. Er trank nun ausreichend und der Leopard in ihm sah nach der
Verwandlung schon weniger mitgenommen aus als vor wenigen Wochen. Er machte
sich und das hatte er letztendlich nur Juno zu verdanken. Er zählte schon die
Stunden und Minuten, bis er sie wieder in die Arme schließen konnte und ganz
für sich hatte. Im Geheimen natürlich. Nach außen hin war er selbst nach dem
Antrag immer noch der schneebedeckte Eisberg höchst selbst. Freundlich zwar
aber trotz allem Verständnis, das ihm widerfuhr, weiterhin distanziert, als
würde er dem plötzlich eingekehrten Frieden um sich herum nicht trauen.
Insgeheim glaubte er immer noch, jeden Moment aus einem Traum aufzuwachen und
wieder allein zu sein.
Die Schmerzen in seiner Brust waren allerdings zu real für einen Traum. Junos
Name prangte sorgfältig eingeritzt von der Sophora Nicolasa, die sehr geschickt
im Führen des rituellen Dolches war, eingesalbt und rot glänzend auf seinem
Brustkorb. Vier kleine Buchstaben, die alles bedeuteten. Für ihn. Für Juno.
Ihre Verbindung würde heute zusammen mit der ihrer Tochter gefeiert werden und
es gab kein Zurück mehr und Juno war tatsächlich wieder in den Staaten. Hier im
Castle. Den ganzen Tag über hatte er Angst gehabt, ihn könne ein Anruf aus
Europa erreichen, in dem sie ihm mitteilte, sich die Sache noch einmal überlegt
zu haben. Sie war so unberechenbar wie das Tier in ihm, das er sicherlich
schneller würde kontrollieren können als seine Soulmate. Wobei er sicher nicht
vorhatte, jeden einzelnen von Junos Schritten zu verfolgen. Er wollte nur mit
ihr zusammen sein und als sie nun hinter ihrer Tochter zum Altar schritt, in
diesem Traum von einem Gewand, das ihm den Atem stocken und seine frostig
blauen Augen in einer besitzerstolzen Wildheit blitzen ließ, die er nie in sich
zu finden geglaubt hatte, begehrte er Juno mehr denn je. Die Zuneigung, die er
in diesem Moment empfand
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