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Eine Sacerda auf Abwegen

Eine Sacerda auf Abwegen

Titel: Eine Sacerda auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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Juno lächelte
trotz ihres Alters und ihrer Erfahrungen wie eine scheue Braut zu ihm auf.
Chadh konnte sie auch ohne Worte verstehen und das war ihr sehr wichtig, weil
sie oft genug zu viele Worte in den Mund nehmen musste, um andere Menschen zu
manipulieren. Schweigen war wie ein schützender Kokon, den sie mit ihm teilen
konnte.
Juno nahm den Dolch, dessen Griff mit orangegelben Quarzen verziert war, von
dem Kissen und wartete auf die Aufforderung der Patrona, Chadhs Hand zu nehmen
und die Klinge über den Ballen zu ziehen. Ihre Augen glühten in
unkontrollierbarer Glut auf, als der erste minzige Hauch von seinem Blut auf
ihre empfindliche Nase traf. Ihre Selbstbeherrschung ließ nach einer Woche
Trennung wirklich zu wünschen übrig, aber sie war nicht allein, da Sidonie als
Schwangere und noch in ihrem Breed-Status gefangen über die Ausschüttung des
Paarungsduftes noch weniger Kontrolle als sie hatte.
Die Männer übernahmen die Klingen und schnitten nun ebenfalls in die Hände
ihrer Frauen, so dass der Duft nach Immortelle und Magnolie gleich intensiver
wurde. Der wilde Lorbeer und der herbe Eukalyptus schafften es nicht, die
bezwingende Süße des weiblichen Blutes zu übertönen.
    Beinahe
zeitgleich senkten Sid und Juno ihre Münder auf die blutenden Wunden ihrer
Soulmates, die ebenfalls von ihnen einen Schluck nahmen, der ihre Verbindung
noch weiter besiegeln sollte. Ein unglaublicher Anblick, da man sich in alte
Zeiten zurückversetzt fühlte, als die Sacerdas wirklich noch dem Kriegergott
Baal gedient hatten.
Juno stimmte einen uralten Gesang an, während Nico die magischen Bänder um die
verbundenen Arme der Brautleute schlang. Er huldigte der heiligen Verbindung
zwischen Mann und Frau und wirkte zugleich aphrodisierend und seltsam
beruhigend auf das Gemüt der Zuhörer. Anwesende verbundene Paare würden tief in
ihrem Inneren geradezu vibrieren vor überwältigender Liebe, die sie für ihre auserwählten
Partner empfanden. Es war der leichteste Weg für sie, Chadh ihre Gefühle zu
offenbaren, solange sie nicht unter sich waren.
    Die Bänder
gingen in Flammen auf und zwei weitere Paare waren für die Ewigkeit unter dem
Segen der Götter verbunden worden. Juno und Chadh fanden sich ironischerweise
in dem Raum wieder, in dem sie vor wenigen Wochen auf ihr Todesurteil gewartet
hatten. Wieder waren Erfrischungen bereitgestellt worden und für Chadh Sachen
zum Anziehen, da er kaum bloßer Brust auf die Feierlichkeit gehen konnte. Juno
wurde tatsächlich rot, als sie den gedeckten Tisch erblickte, der sie daran
erinnerte, was das letzte Mal zwischen ihnen vorgefallen war.
Sie schritt anmutig zu der Tafel herüber und schenkte ihnen beiden Wein in die
schweren Kristallkelche ein, die im Schein der Kerzen geheimnisvoll glitzerten.
Sie hielt ihm mit der linken Hand einen der Kelche entgegen, während sie mit
der Rechten die Spitze des Dolches auf der Tischplatte aufsetzte und ihn
spielerisch hin und her drehte. Es war ein sehr schönes Erinnerungsstück an
diesen besonderen Tag.
    "Hast du
mich vermisst, Chadh?“, fragte sie mit einem einladenden Unterton in der
Stimme, als wollte sie ein Schmusekätzchen anlocken. Ihre Augen studierten
jeden Strich, den die heiße Klinge auf seinem Brustkorb gezogen hatte, mit
einem besitzergreifenden Aufblitzen ihrer himmelblauen Augen.
„Ich hatte dich ja gewarnt, dass die Bräuche der Immaculate zuweilen recht… barbarisch sein können.“
Juno leckte sich über die Lippen, wo sie glaubte, noch den Geschmack seines
Blutes aufnehmen zu können. Eine ganze Woche… Das schien ihr geradezu wie eine
unerträglich lange Folter, nachdem sie endlich wieder echten Hunger verspürte.
    „Ein wenig.“,
antwortete er mit demselben Unterton in der Stimme und leckte sich ebenfalls
die Lippen, auf denen er immer noch die Süße schmecken konnte, die ihr Blut
darauf hinterlassen hatte. Ein Schluck Wein würde dem Drang in seinem Inneren,
hier und jetzt über sie herzufallen und mehr als nur einen Tropfen Lebenssaft
mit ihr zu tauschen hoffentlich etwas Abhilfe verschaffen.
Aber weit gefehlt. Der Alkohol, obgleich von teurer Qualität und sicherlich
eine ganz besondere Gaumenfreude, schmeckte nicht einmal halb so gut wie Juno
oder ein Kuss von ihr. Einen Kuss, nachdem er schon eine ganze Woche lang
hungern musste.
    „Und du?“,
fragte er also, während sie sich gegenseitig belauerten und darauf warteten,
dass der jeweils andere den ersten Schritt machte. „Hast du mich

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