Eine Sacerda auf Abwegen
zu
verdanken? Die Antwort lag klar auf der Hand. Chadh wusste diesmal nur nicht,
was er jetzt davon halten sollte. Dies war wohl kaum als Notlösung zu
bezeichnen. Viel eher als das, was zuvor die kleine Clubchefin mit ihm versucht
hatte. Keine Leistung ohne Gegenleistung.
Andererseits war der Armagnac (Chadh drehte umständlich die Seite mit dem
Etikett in seine Richtung, die ihm der Barmann zwar präsentiert hatte, jedoch
ohne seine volle Aufmerksamkeit zu haben) genau das, was er brauchen würde.
Vielleicht reichte ihr ausnahmsweise mal ein kleines, aufrichtiges Danke, wenn
sie schon so hellsichtig in seinen Bedürfnissen gewesen war.
Er wandte den Kopf, doch die Frau im Anzug saß nicht mehr an der Bar. Noch
bevor er ihre Präsenz in seinem Rücken spürte, hörte er ihre Stimme.
Dieses gehauchte Flüstern mit dem hypnotischen Klang, das sämtliche gerade
nicht vorhandenen Haare auf seinem Rücken aufstellte und das Biest in ihm zu
einem neuen Tobsuchtanfall brachte, weil es unbedingt und auf der Stelle hinaus
wollte. Chadh versteifte sich und klammerte sich an die Bar, bis die
Fingerknöchel weiß hervortraten, während er trotzdem weiterhin jedes Wort Junos
in sich aufnahm und niemals vergessen würde, auch wenn sie ihn gerade dreist
hinterrücks anlog und Märchen erzählte. Für ihn gab es kein Licht in der
Dunkelheit. Ihr Französisch war aber trotzdem sehr schön. Er verstand nur
wenige Worte in dieser Sprache, denn dort wo man es sprach, hatte er sich nie
gern und lange aufgehalten. Zu viele Jäger, zu viele neugierige Menschen.
Chadh schloss die Augen und sah Juno in Gedanken an sich vorbeiziehen und an
den ausgewählten Tisch setzen. Seine Instinkte sagten ihm, wann sie Platz
genommen hatte und sich wieder vollkommen von ihm zurückzog. Nun lag es bei
ihm, den nächsten Schritt zu machen. Sie erwartete also wirklich nichts zurück,
wie es schien. Nur die Annahme ihres kleinen Geschenks und des hübschen
Sprüchleins, das sie ihm ins Ohr gesäuselt hatte. Chadh nahm Flasche und Glas,
drehte sich auf dem Hocker zu Juno herum, glitt in einer fließenden Bewegung
herunter und trat dann langsam auf ihren Tisch zu. Ohne zu fragen, setzte er
sich, schenkte sich ein und trank. Ihr Glas ließ er leer. Wenn sie durstig war,
konnte sie sich aus ihrer eigenen Flasche selbst bedienen. Er wollte stur sein
und nicht die ersten Worte sprechen, nachdem er noch zwei weitere Gläser ohne
großes Federlesen leerte, doch das Schweigen zwischen ihnen fühlte sich
irgendwie schlecht an. Wie eine verkümmernde Pflanze, die gerade angefangen
hatte, zu blühen. Das war sein Empfinden. Er hatte schließlich die Dreistigkeit
besessen, sich hierher zu setzen. Juno beachtete ihn nicht im Geringsten und
etwas in ihm drin stachelte ihn nun an, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen und zu
fesseln.
Wenn er
nur wüsste, wie…
Ihr hatte offenbar zugesagt, was er da eben so vor sich hingemurmelt hatte.
Leider waren seine Worte für ihn schnell vergessen. Zu oft hatte er sich nur
mit sich selbst unterhalten müssen und dabei nicht auf die eigentliche
Unterhaltung geachtet sondern sich nur daran festgehalten, eine lebende Stimme
zu hören, da sonst keiner zu ihm sprach. Diese Unart blieb ihm erhalten. Selbst
als Fernsehen und Radio erfunden waren und das Telefon, um jemanden anzurufen.
Chadh rief niemanden an. Er besaß kein Telefon. Nicht einmal ein Handy. Wessen
Nummer hätte er darin auch speichern sollen?
Juno wusste,
dass er argwöhnisch reagieren würde. Das hätte sie an seiner Stelle auch getan,
weil es ihre zweite Natur geworden war. Gute Dinge passierten immer nur den
anderen.
Erneut fühlte sie sich an Lancaster erinnert, der mit seinen Worten, die einem
mächtigen Vorschlaghammer glichen, Löcher in ihre schützenden Mauern gerissen
hatte. Wie lange war es her, dass sie mit einem Menschen auf persönlicher Ebene
interagiert hatte? Sie konnte die Frage selbst nicht beantworten. Es sei denn,
sie zählte das Gespräch zwischen sich und Sidonie dazu. Aber das hatte durch
die Anwesenheit der Sophora ebenfalls einen offiziellen Anstrich gehabt.
Juno war wirklich überrascht, als der Fremde sich tatsächlich zu ihr setzte.
Sie hatte sich bequem gegen die Lehne des Sessels sinken lassen und sah dem
aufsteigenden Rauch zu, der sich von ihrer Zigarette schlängelte, die sie
locker in der Hand hielt. Sie lauschte konzentriert den Klängen des
Pianomannes, der ein wahrer Künstler auf dem Instrument war.
Sie erwartete nicht, dass er seine
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