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Eine Sacerda auf Abwegen

Eine Sacerda auf Abwegen

Titel: Eine Sacerda auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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Flasche mit ihr teilte. Sie hatte ja selbst
genug Stoff, wenn sie wollte und konnte ihn den ganzen Abend lang
nachbestellen, ohne sich über die Kosten Sorgen machen zu müssen. Vielleicht
sollte sie die finanzielle Unabhängigkeit als Segen in ihrem Leben betrachten.
Das hatte sie zumindest in der Zeit in New York getan, als sie sich immer mehr
in eine Immaculate verwandelte. 13 Monate der Freiheit während des so genannten
Moratoriums hatte sie sich erbeten und nicht geahnt, dass sie ausgerechnet
während dieser Zeit den Mann treffen würde, mit dem sie hätte glücklich werden
können.
    “Sie sind
nicht aus New York, richtig?” Seine Stimme, wieder jungenhaft schüchtern ohne
Zorn aber nicht kraftlos, klang in seinen eigenen Ohren fremd und unvertraut.
Noch nie hatte Chadh jemandem eine Frage gestellt, auf die er tatsächlich gern
eine Antwort gehabt hätte, um eine Unterhaltung in Gang zu bringen.
“Haben Sie schon die Freiheitsstatue gesehen? Sie kommt ursprünglich aus Ihrem
Heimatland. Sie sind doch Französin, nicht wahr?”
Er erwartete fast, dass sie aufstehen und mit ihrer Flasche zurück an die Bar
gehen würde. Das war wohl die ungeschickteste Art, eine Unterhaltung zu
beginnen. Natürlich hatte man sie gesehen. So etwas übersah man nicht. Weder bei
der Schiffspassage noch mit dem Flugzeug. Und dass sie aus Frankreich kam,
hörte doch ebenfalls jeder. Warum machte er den dummen Versuch, Süßholz zu
raspeln, obwohl ihm eher nach einem schweigsamen Besäufnis war?
Vielleicht weil er sie für schön befunden hatte und immer noch für schön
befand. Die Frau. Nicht die Freiheitsstatue. Ihre blauen Augen waren
bemerkenswert, könnten aber eine Spur strahlender sein. Ihr Gesicht war schmal.
Zu schmal. Als würde sie hungern. Die hohen Wangenknochen bohrten sich ja schon
fast durch die dünne, gebräunte Haut. Die Dunkelheit von Hut und Anzug ließen
sie blass wirken, da ihr Haar ja ganz verborgen war und somit nicht schmeicheln
konnte. Gäbe es in dieser Bar etwas Anständiges zu essen oder hätte er auch nur
einen Dollar dabei gehabt, wäre er wohl losgelaufen, um ihr ein Pizzastück zu
besorgen. Aber vielleicht mochte sie es nicht, wenn man versuchte, sie zu
füttern. Sie war ein großes, selbstständiges Mädchen und wusste selbst, was gut
für sie war und was nicht.
Chadh trank einen weiteren Weinbrand. Wenn er so weiter machte, war sie schnell
geleert. Er nutzte jedoch nur die Gelegenheit, so viel zu trinken, wie er
konnte, bevor Thibault zurück kam und ihn an den nächsten Ort schleifte, an den
Chadh dann aber vielleicht nicht mehr mitkommen wollte.
    “Ich empfinde
dieses Bauwerk als Verarschung sondergleichen, denn in diesem Land ist niemand
frei und wird es auch niemals sein. In keinem Land der Welt. Es gibt immer
jemanden, der über einen bestimmen möchte und seinen Status ausnutzt. - Aber
man hat von oben einen hervorragenden Ausblick auf den Ozean. Das wohl einzig
Gute an diesem hässlichen Ding.”
Nun hatte er genug Worte gemacht und verlegte sich schweigend aufs Trinken,
ohne der edlen Spenderin bisher dafür gedankt zu haben. Sie würde sonst
womöglich doch noch etwas wollen und er wusste nicht, ob er bereit war, sich
darauf einzulassen.
    Juno wandte
ihm das Gesicht zu, als er unerwartet das Wort an sie richtete. Auch damit
hatte sie nicht gerechnet und noch weniger damit, dass ihr der Klang seiner
Stimme gefallen würde. Er schien um die Wirkung seiner Stimme nichts zu wissen.
Wie auch? Menschliche Ohren konnten gewisse Nuancen einfach nicht erkennen.
Sie hörte den wütenden Trotz darin und spürte erneut eine Art Seelenverwandtschaft.
Es konnte natürlich Einbildung sein oder Wunschdenken. Es war leicht, sich mit
einem Fremden auseinander zu setzen, der keine Erwartungen an sie stellen
würde. Juno griff nach ihrem Drink, von dem sie den letzten Schluck nahm und
sich selbst dann von ihrer Flasche Armagnac einschenkte, um sich dann wieder
zurückzulehnen und die goldbraune Flüssigkeit in dem Glas zu schwenken, damit
sich das Bouquet entfalten konnte. Sie wollte ihm damit sicher nicht vorführen,
dass sie mehr Ahnung davon hatte als er, es waren einfach Handgriffe, die sie
vollkommen unbewusst ausführte.
    „Richtig… Ich
komme aus Frankreich“, bestätigte sie ihm, wobei sie ihren Kopf gegen die Hand
stützte. Die Zigarette hatte sie ausgedrückt, die elegante Spitze lag nun neben
dem Aschenbecher. Unter halb gesenkten Lidern warf sie ihm einen prüfenden
Blick zu. Sein Gesicht

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