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Eine Sacerda auf Abwegen

Eine Sacerda auf Abwegen

Titel: Eine Sacerda auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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hatte, ohne dass er sich dafür dankbar
zeigte, war im Grunde ihr Pech. Er war eine Verschwendung. Von Geld, Zeit,
Leben. Von allem. Das würde sie schon noch merken. Andere hatten das längst.
    Juno
erschauerte bis in die Zehenspitzen, als ihr Name von seinen Lippen tropfte wie
zähflüssiger Honig. Für einen kurzen Moment fühlte sie eine wohlige Wärme in
ihrem Inneren, an der sie gerne festgehalten hätte. Es hatte so geklungen, als
hätte sie für ihn Bedeutung. Das stimmte natürlich nicht. Es lag einfach an
seiner Stimme und seiner Art, mit ihr umzugehen, dass sie diesen Eindruck
gewann. Sie war doch eine Meisterin im Schaffen von Illusionen. Es hatte noch
nie jemanden gegeben, der sie darin hätte verstricken können. Zumindest in der
Welt der Immaculate nicht, die ihr ja niemals willentlich Schaden zufügen
würden. Manasses könnte ihre Schutzmauern durchbrechen, doch selbst ein hochmütiger
und scheinbar gefühlskalter Mann wie er kannte gewisse Grenzen. Sie hatte sich
oft gewünscht, er würde versuchen, sie zu brechen, um den Hass gegen ihn erneut
schüren zu können.
Er sagte nicht einmal, dass er nur ihr Bestes wollte, weil auch das ihr
entgegengekommen wäre. Dafür war er zu schlau und nun hatte er sie auch in die
Falle laufen lassen, indem er sie in die Staaten schickte, um die verlorene
Sacerda für sich beanspruchen zu können, bevor es ein anderer tat. Eine
Zusammenarbeit mit Sidonie würde reibungslos verlaufen, sie würde offen und
zugänglich sein und jeden im Sturm für sich einnehmen. Sie hatte das früher
auch gekonnt, auch ohne die besonderen Fähigkeiten, die Baal ihren Vorfahrinnen
hatte zukommen lassen.
Sie zog die Hand, die er nicht genommen hatte, nach einer angemessenen
Zeitspanne einfach zurück. Sie wusste sowieso nicht, wie sie darauf reagiert
hätte, wenn er sie berührt hätte. Unter Immaculate waren solche Gesten nicht
nötig, ihr Stand als Nuntia schuf Abstand zu den meisten Personen. Man begrüßte
sie mit einem Knicks, einem Neigen des Kopfes oder einer angedeuteten
Verbeugung. Es war einfach nur eine weitere Art von ihm, ihr zu sagen, dass sie
gefälligst Abstand halten sollte. Es gefiel ihm nicht, eingeladen worden zu
sein. Und noch weniger, es annehmen zu müssen. Sie kannte sich mit diesem Drang
aus, Teil einer Welt sein zu wollen, aber ihr nicht wirklich zugehörig zu sein,
weil man hineingeboren werden musste. Man wurde geduldet, wenn man das nötige
Aussehen mitbrachte, aber mehr auch nicht. Sie hatte selbst miterlebt, wie
Frauen mit Geld gut aussehende Männer behandelt hatten, wenn ihnen der Sinn
nach Ablenkung stand.
Juno zuckte mit den schmalen Schultern, weil sie ihn sicher nicht weiter
bedrängen würde. Er schuldete ihr gar nichts. Was waren schon die läppischen
Dollar für eine Flasche Cognac? Dafür stand ihr keine Gegenleistung zu nicht
einmal Höflichkeit. Sie war ja auch nicht besonders nett gewesen.
    “Ich bin oft
oben auf der Statue, obwohl man die Fackel immer noch für Besucher gesperrt
hat. Bei vollem Mond ist es besonders schön und wenn man den Lärm der Stadt im
Rücken ausblendet, kann man sich tatsächlich einen Moment frei fühlen. - Ich
habe einen Schlüssel.”
Den Chadh schon seit der Eröffnungsfeierlichkeit besaß, weil er als einfacher
Arbeiter beim Bau geholfen und diesen irgendwann seinem Vorarbeiter unbemerkt
entwendet hatte. All die Jahre war das Schloss an der Tür im Sockel niemals
ausgewechselt worden. Die Sicherheitsvorkehrungen drum herum schon. Da er nicht
wusste, ob sie ihn bereits als Unsterblichen erkannt hatte, erklärte er ihr
nicht, dass er im Grunde keinen brauchte, sondern sich einfach nach oben
materialisierte, um den Ausblick zu genießen. Allerdings klappte das nur, wenn
er einigermaßen genährt war. Er sollte sie um ein paar Dollar bitten, damit er
sich auf dem Nachhauseweg in einer Schlachterei etwas Schweineblut holen
konnte. Dann klappte es auch wieder mit den Abenteuern.
    “Würden Sie
gern rauf gehen, Juno ? - Heute Nacht? ” Wieder betonte er ihren Namen so
wie beim ersten Mal.
Er könnte ihn immer wieder aussprechen. So wie er sich an ihrem Haar nicht
würde satt sehen können. Sie war eine wunderschöne Frau, aber etwas in ihrem
Inneren war vor langer Zeit zerbrochen. Er konnte es mit einem Mal fühlen. Derselbe
Schmerz, der in ihm wütete und doch anders. Tiefer. Schlimmer. Er war ein Mann,
er ließ die Dinge an sich abprallen, fraß sie in sich hinein, ließ andere dafür
bluten aber niemals sich

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