Eine Sacerda auf Abwegen
genommen worden war, ohne dass er eine
Chance hatte, es aufhalten zu können. Wenn er nur wüsste, was?
Das Biest in ihm wurde lauter und lauter. Es brüllte und tobte, wollte die
Fesseln, in die es gerade gelegt war, erneut sprengen und sich auf diese Frau
stürzen, die ihm aus irgendeinem Grund Schmerzen bereitete, obwohl sie ihm
nichts getan hatte. Das Herz tat nach der Seele am meisten weh. Es fühlte sich
gejagt und heimgesucht, ohne dass der Geist, der dafür verantwortlich gemacht
werden konnte, jemals greifbar wurde.
Chadh
schluckte und zerknickte das Streichholzbriefchen ohne Mühe zwischen den
Fingern. Ein paar Köpfe durchbrachen die offenen Seiten des Lackpapiers,
während er Juno dabei zusah, wie sie die Sonnenbrille abnahm und dem Mann etwas
zuflüsterte, was er trotz seines empfindlichen Gehörs nicht mitbekam. Er merkte
nicht, dass kleine Holzspäne auf das teure, blankpolierte Mahagoni der Bar
rieselten sondern starrte weiter auf die langen Haare der Frau, die ihren
Anmacher mit Leichtigkeit unter Kontrolle zu bekommen schien und schließlich
alles Blond wieder unter den Hut stopfte. Jede einzelne Strähne. Der Bann war
gebrochen. Chadh blinzelte und wandte sich sofort ab, bevor sie merkte, dass er
sie angestarrt hatte. Der Barkeeper hatte, von ihm unbemerkt, bereits das
zersplitterte Briefchen entfernt und alles sauber gewischt. Penibel sauber. Ihn
hätte Chadh in Tulips Wohnung gut brauchen können.
Chadh verkniff sich einen belustigten Zug um die Mundwinkel, als der Kerl, der
eben noch versucht hatte, bei der Frau zu landen, nach dem Barmann winkte und
ihm auftrug, ihr einen Drink auf seine Kosten zu spendieren, bevor er dann von
dannen zog, ohne auf weitere entgegenkommende Leistungen zu bestehen. Diese Art
von Fähigkeit wäre ihm auch sehr zuträglich gewesen. Damit würde sich wohl so
ziemlich jedes Problem ohne großen Aufwand lösen lassen und die Rothaarige
hätte mit Sicherheit überlebt.
Etwas
überrascht sah er auf, als der Barmann plötzlich ein Glas vor ihn abstellte,
das er nicht bestellt hatte. Der Weinbrand roch gut und warm. Die Farbe war
voll und dunkel. Einladend. Er sah zur Seite. Die Frau spielte mit ihrer
Zigarettenspitze zwischen den Fingern. Scheinbar ohne ihm auch nur die
geringfügigste Beachtung zukommen zu lassen. Doch er wusste es besser. Sie tat
das nicht, weil sie nett sein wollte. Für einen Moment verdüsterte sich sein
Gesicht und er trank das Glas in einem Schluck leer, ohne dem teuren Inhalt
beim Abgang eine größere Bedeutung zukommen zu lassen als dem Tequila, den er
in Tulips Club gekippt hatte. Überraschend war allerdings, dass dieser Alkohol
seinen leeren knurrenden Magen besser ausfüllte und wärmte, als acht klare
Schnäpse es hatten tun können. Er sollte also wenigstens ein bisschen
Dankbarkeit zeigen, selbst wenn sie ihrem Verehrer nur ein weiteres Schnippchen
hatte schlagen wollen und Chadh bloß der Nächste gewesen war, der davon
profitierte. Sie hätte es auch jedem anderen bringen lassen können.
“Kann ich
noch einen haben?”, fragte er den Angestellten, ohne Juno gleichfalls auch nur
eines weiteren Blickes zu würdigen und schob das Glas an die äußerste Kante des
Tresens dem Barmann entgegen, der das geleerte Gläschen zwar annahm, jedoch
keinerlei Anstalten machte, es erneut aufzufüllen. Stattdessen schob er es ins
Spülbecken und polierte weiter die bereits gewaschenen Gläser. Es war nur von
einem Drink die Rede gewesen. Auf Kosten der Lady weiterzutrinken, war für
einen Gentleman der alten Schule wohl ein Ding der Unmöglichkeit.
“Schade.” Chadh zuckte gleichgültig mit den Schultern und sah sich erneut im
Club um, ob er Thibault irgendwo finden konnte. Der war allerdings nirgends zu
sehen. Er musste also noch warten. Darauf dass die Zeit verging und er nach
Hause gehen konnte. Die köstliche Wärme, die der Alkohol ausgelöst hatte,
verflüchtigte sich bereits. Sein Hunger meldete sich zurück.
“ Deine
Seele, wie meine, verloren. Kaputt und zerrissen. - Einst schön und rein. Quell
der Freude. Kelch des Lebens. ” Mit dem Zeigefinger zog Chadh langsam eine
dunkle Spur über das polierte Holz, sah dabei zu, wie sie in den Anfängen schon
wieder verblasste, während er eine andere Richtung einschlug und dabei ein
wirres Muster fertigte, ohne sich auf ein bestimmtes Motiv festzulegen, während
er irgendetwas vor sich hinmurmelte, das ihm gerade durch den Kopf ging.
"In Finsternis gestürzt. Zerschmettert. Voll Hass ohne
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