Eine Sacerda auf Abwegen
war attraktiv geschnitten, seine Lippen voll, doch es
waren seine Augen und der interessiert abweisende Ausdruck darin, die Juno
fesselten. Ihre Mundwinkel hoben sich kurz in einem angedeuteten Lächeln, bevor
sie ihren Blick abwandte und ins Leere starrte.
„Ja, die Freiheit ist eine Illusion… Aber Menschen brauchen Symbole wie diese
Statue. Es wiegt sie in der trügerischen Hoffnung, dass sie eines Tages ihrem
Käfig entkommen können. Sie warten auf einen Erlöser… Ich habe die Statue gar
nicht beachtet, als ich eingeflogen bin. Sie haben vollkommen Recht. Das einzig
Gute an ihr ist der Ausblick, den sie zu bieten haben muss.“
Junos Augen leuchteten kurz auf und ihr Gesichtsausdruck wurde einen Moment
weich, weil sie eigentlich selbst darauf hätte kommen können, diesen
Aussichtspunkt einmal aufzusuchen, wenn sie schon in der Gegend weilte.
„Ich wohne
Zuhause direkt am Meer… Es fällt mir schwer, Schlaf zu finden, wenn ich das
kraftvolle Rauschen nicht hören kann. Ich werde dieser Sehenswürdigkeit wohl
doch noch einen Besuch abstatten müssen. Danke für den Anstoß.“
Juno hob ihr Glas in seine Richtung und nahm dann einen tiefen Schluck von dem
Cognac, der ihren Magen mit wohliger Wärme füllen würde. Natürlich täuschte sie
ihren Köper damit nur kurzzeitig. Er verlangte nach reichhaltigerer Nahrung und
nach mehr als nur drögem Plasma. Wie lange würde sie noch auf eine weitere
Blutspende von Manasses verzichten können?
Es gab einfach keine Tri’Ora mehr, an die sie sich wenden konnte. Sie war ja
nicht krank und bedurfte keiner Heilung.
Als sie nach der unverhofften Umwandlung eine Zeit lang unter dem Dach des
Marquess gewohnt hatte, hatten die hochwohlgeborenen Damen des Hauses Felis
regelrecht darauf gelauert, dass sich zwischen ihnen etwas entwickelte, weil
sie ja eine so gute Partie gewesen wäre. Sie hätte damals um sich schlagen
können, wenn man sie bei offiziellen Anlässen wie eine hübsch ausstaffierte
Puppe vorgeführt hatte. Die jungen Immaculate-Damen hatten ihre Rettung doch
tatsächlich als wild-romantisch eingestuft und Manasses zum glänzenden Helden
deklariert.
Juno streckte die Hand aus, nachdem sie die Erinnerung weggeblinzelt hatte und
reichte sie ihm über den Tisch hinweg, wobei sie ihm ein zögerliches Lächeln
schenkte, als müsste sie zuerst üben, ob sie diese Fähigkeit überhaupt besaß,
dabei war das früher einmal eine ihrer hervorstechenden Eigenschaften gewesen.
Ein strahlend einnehmendes Lächeln, das ihre Augen zum Leuchten gebracht und
ihr eine beinahe magische Anziehungskraft verliehen hatte.
„Ich heiße
Juno.“, stellte sie sich vor, ohne ihren Nachnamen zu erwähnen, der ihn
wahrscheinlich genauso wenig wie ihr Vorname interessierte. Vielleicht wollte
sie einfach nur ihren Namen aus seinem Mund hören und sich dabei wie die Göttin
fühlen, nach der sie benannt worden war. In der Welt der Sterblichen existierte
sie nur noch als verblasste Erinnerung.
“Juno…” Chadh
ließ ihren Namen langsam über die Zunge gehen und betonte jeden einzelnen
Buchstaben mit mehr Aufmerksamkeit, als er dem Alkohol zukommen ließ. Er hatte
gesehen, wie sie ihr Glas schwenkte. Hoffentlich nicht um ihn vorzuführen. Aber
selbst wenn dies in ihrer Absicht gelegen hätte, so hätte er keinen Anstoß daran
genommen. Seine Manieren kümmerten ihn wenig. Sie waren gut genug, um durch die
Welt zu kommen. Mehr brauchte er nicht. Obwohl er, bevor er das nächste Mal
trank, das Glas genauso schwenkte und auch der Nase Gelegenheit gab, sich neben
seinem Magen an der Wärme und den Nuancen des Weinbrands zu erfreuen.
“Der Name ist
ungewöhnlich. - Zumindest für eine Französin.”
Die dargebotene Hand ignorierte er. Stattdessen klammerte er sich nun mit
beiden Händen an das kleine Glas und atmete den verbliebenen Rest. Er tat das
nicht aus Böswilligkeit, sondern weil diese Art von harmlosem Körperkontakt
alles andere als harmlos gemeint sein könnte. Keine Leistung ohne
Gegenleistung.
Er hatte einfach gelernt, vorsichtig zu sein. Zumindest manchmal, wenn es einen
Grund gab und sein Gegenüber ihm überlegen sein könnte. Tief in den Sessel
gesunken sah er zu ihr rüber, musterte sie diesmal eingehend und überlegte.
Nicht, ob er ihr trauen konnte. Das tat er bei niemandem, sondern wie viel er
preisgeben durfte, ohne dass es gegen ihn verwendet wurde.
Er beschloss, gar nichts zu sagen. Es ging sie nichts an. Sie kannten sich
nicht und dass sie ihm etwas spendiert
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