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Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Titel: Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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auch in unserem Parlament nach sich zog.
     Einer der beiden Freunde hielt leicht aufgeregt Borjes’ Notizbuch in der Hand, das dieser immer bei sich getragen hatte: Die Flecken, durch die manche Wörter unleserlich geworden waren, zeugten deutlich von Mühen und Blutvergießen. Abgesehen von den Anmerkungen zu Schlachten und Zusammenstößen, fiel besonders der aufmerksame Kommentar zur jeweiligen Art der landwirtschaftlichen Nutzung der Territorien ins Auge, die er Stück um Stück eroberte.
     Seine rechte Hand, der Brigant Crocco, führte keine Tagebücher, sondern schrieb im Kerker in Erwartung des Prozesses seine Memoiren. Crocco erzählt darin an einem bestimmten Punkt, daß es für die Guerillas ein sehr kritischer Moment war, als sie auf Stigliano marschierten (das dann erobert wurde). Genau in jener Situation hätten die italienischen Truppen die Männer von Borjes ohne weiteres vernichtend schlagen können. Statt dessen beschränkten sie sich darauf, ihnen aus gebührender Entfernung zu folgen. Es handelte sich hierbei nicht um einen taktischen Fehler, wie Crocco erklärt, sondern um eine klare Absprache, ein Agreement, zwischen ihm und dem General Della Chiesa, oder Dalla Chiesa, wie es wiederum in anderen Dokumenten heißt, dem Kommandanten der italienischen Waffeneinheiten (ach, dieses Wiederauftauchen derselben Namen in der Geschichte Italiens: Ich weiß nicht, ob der General Carlo Alberto Dalla Chiesa ein Enkel von ihm gewesen ist oder nicht; fest steht nur eins – Carlo Alberto Dalla Chiesa hat sich mit niemandem abgesprochen, da er zusammen mit seiner Frau von der Mafia ermordet wurde). Den Inhalt der Vereinbarung verrät Carmine Crocco nicht, aber es ließe sich ganz einfach denken, daß es darum ging, den Spanier zu verraten. Es kann auch gut sein, daß der Brigant lügt, aber es ist aktenkundig, daß Della Chiesa des Kommandos enthoben und vor den Disziplinarrat gestellt wurde. Bevor Della Chiesa aber endgültig von der Bildfläche verschwinden mußte, massakrierte er noch nach Herzenslust eine große Anzahl von Bauern. Im Dezember 1861, demselben Tag, an dem Borjes und die Seinigen unter den Schüssen des Hinrichtungskommandos fielen (man sollte wohl besser sagen, ermordet wurden), schrieb der General La Marmora an Petitti, den Kriegsminister, daß Della Chiesa »nichts tat, und jetzt läßt er alle, die ihm in die Hände fallen, erschießen, ohne in der Lage zu sein, zu den Informationen zu kommen, die für uns wertvoll wären«. Es ist augenfällig, daß Della Chiesa mit eindeutigen Absichten hinrichten ließ: um zu verhindern, daß die Hintergründe ans Licht kamen, und um dafür zu sorgen, daß von dem Abkommen mit Crocco nicht die leiseste Spur übrigblieb.
     Einer, der von Agreements lebte, und zwar in Saus und Braus, und der 1725 infolge einer Absprache gehenkt wurde, war der Engländer Jonathan Wild, der später für die weltberühmte Figur des Mackie Messer in der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht Pate stand (der aber auch Fielding und Gay inspiriert hatte). Daniel Defoe, Wilds aufmerksamer Biograph, konnte nur schwerlich unter Adjektiven wie » hassenswert«, » bösartig«, » verachtenswert «, » infam« seine geheime Bewunderung für ihn verbergen; er hat Wilds geniale Betrugsmethode wie folgt geschildert:
     Alles nahm seinen Anfang bei einem von König Wilhelm erlassenen Gesetz, nach dem auf bewußte Hehlerei (das heißt, wenn man über die illegale Herkunft der Ware Bescheid wußte) die Todesstrafe stand, und es genügten zwei oder drei Hinrichtungen, um die Hehler zu überzeugen, daß es wohl besser wäre, den Beruf zu wechseln. Die Diebe waren also in einer prekären Lage, sie stahlen jetzt praktisch umsonst, denn keiner wollte ihnen die Ware abnehmen, nicht einmal zu herabgesetzten Preisen. An dieser Stelle brach Jonathan Wilds Organisationstalent hervor, und er zeigte sich als echter Sohn seiner Zeit, in der Lloyd’s in London und die SüdseeKompanie gegründet wurden. Mit Hilfe eines dichten Rings von Informanten (Wild kam vom Prostitutionsgewerbe) ließ er das Diebesgut in unauffälligen Lagerräumen zusammentragen. Darauf schickte er einen Unterhändler zum Bestohlenen, und der bekam die Geschichte aufgetischt, ein ehrlicher Kaufmann sei rein zufällig in den Besitz von Dingen gekommen, von denen er befürchtete, daß sie illegaler Herkunft seien. Ob der Herr kürzlich einen Diebstahl erlitten habe? Wenn ja, wolle er bitte so freundlich sein und die gestohlenen

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