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Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Titel: Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Bericht. Ich möchte gleich sagen, daß die Geschichte für mich heute, Ende des Jahres 1991, während ich sie niederschreibe, in weiterer Ferne liegt als der Mord an Julius Cäsar.
     Man muß sich das mal klarmachen! Da schlendert ein Mann in verantwortlicher Stellung ohne bewaffnete Eskorte einfach so durch die Gegend und folgt der Einladung eines Fremden, das ist doch unvorstellbar. Und noch viel undenkbarer ist, daß sich in jenem Auto eine Person befand, wie Vecchietti sie beschrieben hat, die willens war, Erklärungen abzugeben und ihren Verstand zu gebrauchen. Ich bin fest davon überzeugt, daß heutzutage hinter dem Rücken eines Journalisten, der sich ungewollt einen Fehltritt geleistet hat, keine Autoscheinwerfer, sondern die Todessalven einer Kalaschnikow aufgeblitzt wären.
     Um wieder zur Sache zu kommen: In dem Moment, da Vecchietti das Wort »Absprache« nannte, hallte ein Echo zwischen meinen Gedächtniskammern wider, dessen Entstehungspunkt ich nicht eindeutig ausmachen konnte, und verlor sich schließlich wieder.

    2.

    Jahre später, als ich gemeinsam mit zwei Freunden das Drehbuch zu Piu fucili che pane (Mehr Gewehre als Brot) schrieb, in dem es um die Zeit des »Brigantentums« in Süditalien nach der Schaffung des italienischen Einheitsstaats ging, fiel mir wieder ein Fall von »Absprache« auf. Brigantentum habe ich in Anführungszeichen gesetzt, um mich von den Thesen der offiziellen Geschichtsschreibung zu distanzieren, zumindest von denen, die heute noch in den Schulbüchern vorkommen; diese erzählen nämlich Lügenmärchen, indem sie das, was in Wirklichkeit ein riesiger Bauernaufstand war, als Banditentum ausgeben. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Aus der Quadro numerico approssimativo (Ungefähren Übersicht in Zahlen), die das »Große Militärkommando von Neapel« herausgibt (ungefähr ist sie aufgrund von »Zeitmangel«, wie der Verfasser des Berichtes, General Pompeo Bariola, erläutert – eine Figur, auf die wir im folgenden noch stoßen werden), und aus anderen offiziellen Dokumenten geht hervor, daß die Repression des »Brigantentums« in der Zeit zwischen dem 1. Juni 1861 und dem 31. Dezember 1865 zu den folgenden Resultaten geführt hat: Standrechtlich Erschossene oder im Gefecht Getötete: 5212; Verhaftete: 5044; Gestellige (das sind die, die sich ergeben haben): 3587; insgesamt also 13843 Personen. Ich entnehme diese Daten der hervorragend dokumentierten Storia del brigantaggio dopo l’Unità (Geschichte des Brigantentums nach der Einheit) von Franco Molfese (Mailand, 1964). Ein bißchen zu viele Opfer, als daß es sich dabei um simple Straßenbanditen gehandelt haben könnte. Im übrigen hat der Schriftsteller Riccardo Bacchelli, der den Problemen des Südens eigentlich recht fernsteht, all das mit seiner schönen Erzählung Il brigante di Tacca del Lupo (Der Brigant von Tacca del Lupo) vorgezeichnet.
     Jedenfalls war unter den Toten mit Sicherheit auch der Held unserer Geschichte, die wir gerade in Szenenform brachten – der spanische General José Borjes. Borjes wurde als Sohn eines Offiziers in Katalonien geboren, der 1833 hingerichtet wurde; Borjes hatte am Partisanenkrieg der Don-CarlosAnhänger teilgenommen und es 1840 vom einfachen Unteroffizier zum Brigadekommandant gebracht. Er ging ins Exil nach Paris, wo er als Buchbinder lebte; und dort machte ihn das bourbonische Komitee, mit dem Fürsten von Scilla an der Spitze, ausfindig und zog ihn ein. Er bekam den Auftrag, in Kalabrien an Land zu gehen und das Kommando sämtlicher bourbonenfreundlicher Kräfte, ob Briganten oder nicht, zu übernehmen. Mitte September des Jahres 1861 landete er mit siebzehn Kumpanen, die er persönlich zu der Unternehmung überredet hatte, von Malta kommend bei Bruzzano an der ionischen Küste. Innerhalb kürzester Zeit machte er sich einen Briganten ersten Ranges, einen ehemaligen bourbonischen Unteroffizier, Carmine Crocco, zum Verbündeten und stürzte sich in eine wahrlich legendäre Aktion, die das italienische Heer handlungsunfähig machte.
     Wie bereits gesagt, war er Fachmann für Guerillataktik. Anfang Dezember desselben Jahres wurde er in der Nähe von Tagliacozzo mehr wegen einer persönlichen Mutlosigkeit als einer tatsächlichen Niederlage gefangengenommen. Seine Erschießung erfolgte wenige Stunden später auf Befehl des Majors der Leichtinfanterie Franchini, der ohne viel Federlesens Hinrichtungskommandos aufstellte, was Ermittlungen und empörte Stimmen

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