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Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Titel: Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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rechter Hand, dem italienischen Innenminister Mario Scelba und dem General Luca, Chef des Cifiribì, wie die Sizilianer sagen (abgekürzt CFRB – Oberkommando der Banditenbekämpfung). Luca traute der Staatsanwaltschaft nicht und hatte es so eingerichtet, daß man die Banditen nicht verhaftete, um sie ein paar Tage später wieder auf freien Fuß zu setzen, sondern daß sie bei einem Feuergefecht erschossen würden. Eine Zeitung veröffentlichte daraufhin eine Karikatur, die Sizilien über und über mit Grabkreuzen bedeckt zeigte, und darunter stand: »Nichts als Luca überall«. Sein strategisches Meisterstück bestand darin, Giuliano zu einem gefährlichen Ballast für die Mafia zu machen und ihn aus den Gegenden zu vertreiben, wo er auf Komplizen und Unterstützung zählen konnte. Giuliano wurde glauben gemacht, daß in Castelvetrano ein Flugzeug gelandet sei, das ihn nach Amerika schaffen würde. Pisciotta aber ermordete ihn im Schlaf, und gleich darauf wurde unter der unerfahrenen Regie des Kapitäns der Carabinieri Perenze ein Feuergefecht inszeniert, bei dem Giuliano den Tod gefunden haben soll. Pisciotta ließ man entkommen, mit der Abmachung, daß er in Kürze offiziell verhaftet werden und vor Gericht mit einer leichten Strafe davonkommen würde. Die Angelegenheit lief aber nicht glatt, die Polizei war mit ihrer üblichen Rivalität den Carabinieri in die Quere gekommen: Pisciotta wurde nicht von den Carabinieri, sondern von der Polizei verhaftet, und die Sache war im Eimer. Eine Person meines Vertrauens hat mir erzählt, daß man Innenminister Scelba mitten in der Nacht ins Ministerium gerufen hatte, um ihn über Giulianos Tod zu unterrichten; dort erwarteten ihn zufrieden lächelnde Generäle, Staatssekretäre, leitende Beamte, die ihm die Geschichte erzählen sollten, Giuliano sei von Perenzes Männern bei einer filmreifen Wildwestszene umgelegt worden.
     Scelba trat noch finsterer und, wenn überhaupt möglich, noch schwärzer gekleidet als gewöhnlich ein. Er bedeutete allen, einige Schritte zurückzutreten, öffnete eine Schublade, hob den Hörer eines Telefons darin hoch, wählte eine Nummer und sprach folgende Worte: »Ciccino, wie hat es sich zugetragen?«
     Und der mysteriöse Ciccino am anderen Ende erzählte ihm die Geschichte lang und breit. Der Minister hörte ihm schweigend zu. Dann hängte er ein, legte die Unterarme auf den Tisch und sagte zu den Umstehenden: »Und nun erzählen Sie mir Ihre Version.«
     Die Anwesenden überstürzten sich beinahe, nahmen sich gegenseitig das Wort aus dem Mund, stellten fingierte Verfolgungen und Fallen nach, die so gefährlich wie unwahrscheinlich waren, bis sie zum Höhepunkt des tödlichen Feuergefechts kamen. Scelba hörte ihnen zu, lächelte, nickte und genoß die Flut offenkundiger Lügen und Farcen. Mehr jedoch freute ihn, glaube ich, die Erniedrigung dieser ehrbaren Leute vor ihm, die gezwungen waren, ein Phantasiegespinst bis in alle Einzelheiten ausgeschmückt zu erzählen, und zwar genau dem, der wenige Sekunden zuvor die volle Wahrheit gehört hatte, die vollkommen anders lautete.
     Der Angeschmierte dabei war Pisciotta. Überzeugt wie er war, daß das Gesetz, die Ordnung, der Staat (alles große Begriffe) den Pakt einhalten würden, ließ er sich verhaften, sagte wie vereinbart im Prozeß in Viterbo aus, ohne jedoch alles zu gestehen. Zum zweiten Prozeß aber schaffte er es nicht mehr. Eines Tages hatte er Lust auf einen Kaffee, und man brachte ihm einen, den er auch trank. Er wußte nicht, daß der Kaffee »mit Schuß« war.

    4.

    Ich merke, wie ich abschweife. Mein Fehler ist, das Schreiben mit dem Sprechen auf eine Stufe zu stellen. Mutterseelenallein mit einem weißen Blatt Papier vor der Nase, bringe ich nichts zustande. Ich muß mir die vier oder fünf Freunde um mich herum vorstellen, die mir zuhören und mir folgen, während ich den roten Faden der eigentlichen Geschichte loslasse, einen anderen ergreife, ein Weilchen daran festhalte, bis er mir entwischt und ich wieder aufs Thema komme. Beim Sprechen macht die Sache einen Sinn, denn sie folgt der Laune des Augenblicks. Schreibend aber muß ich auch meinen Blick berücksichtigen, und genau da verliere ich mich: Wenn ich versuche, das von mir Geschriebene wieder zu lesen, sehe ich, daß der Gedankengang wie ein geringelter Schweineschwanz um die Sache kreist und ständig Gefahr läuft, sich in sich selbst zu verstricken. Wenn ich hier ein Beispiel nach dem anderen aneinanderreihe,

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