Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
allerdings nicht mehr völlig unvorbereitet. Allerdings so etwas in einem Buch gedruckt zu sehen, das war noch einmal etwas anderes … Zumindest so offen und schamlos.
Wer hat mir das bloß geschickt?
Erneut wurde nachdrücklich an der Tür geklopft, und Lily schob das anstößige Buch rasch unter ein Sofakissen. »Herein!«
Ihre stets präsente Mentorin rauschte herein. »Lord Damien wird meiner Einladung folgen und uns zum Dinner beehren. Was werdet Ihr anziehen?«
Lily war von dem merkwürdigen Geschenk so aus dem Gleichgewicht, dass sie stammelte: »Ich … Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.«
»Ich habe Eurem Bruder Nachricht geschickt, dass er schon bald mit einem Besuch von Rolthvens Bruder rechnen darf. Ja, die Fortschritte sind wahrhaftig vielversprechend.« Die Herzoginwitwe setzte sich zu ihr aufs Sofa und ergriff in einer seltenen Gefühlsaufwallung ihre Hand. Ihre Augen glänzten warm und zufrieden.
Und ihr erlauchter Hintern ruhte direkt neben dem Kissen, unter dem das skandalöse Buch lag, dachte Lily.
Wäre es nicht so entsetzlich, hätte diese Situation sie amüsiert. So aber murmelte sie hastig: »Vielleicht solltet Ihr mein Kleid auswählen, Euer Gnaden. Schließlich habt Ihr viel dafür getan, mich in höchsten Kreisen wieder respektabel zu machen. Und nachdem ich die Aufmerksamkeit eines so wunderbaren Gentlemans gewinnen konnte, wäre es doch schrecklich, wenn ich die falsche Garderobe wählen und womöglich noch alles verderben würde.«
Unglücklicherweise war es extrem schwierig, die gewiefte Dame zu täuschen. Verwundert ließ sie Lilys Hand los und musterte ihren Schützling aus zusammengekniffenen Augen. »Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, was ich so Großes geleistet haben soll. Ich habe Euch zu ein paar Gesellschaften mitgenommen, auf denen Ihr mir früher oder später immer entwischt seid, wenn ich recht darüber nachdenke. Und die Männer, denen ich Euch vorstellte, mochtet Ihr meist nicht und ignoriertet sie geflissentlich. Ansonsten habe ich Euch das Leben schwergemacht. Und Lord Damien war sowieso ganz allein Eure Eroberung, oder? Ich kann mich nicht einmal erinnern, wann Ihr ihm vorgestellt wurdet.«
»Wir sind uns zufällig begegnet.« Lily fand, dass es nicht direkt eine Lüge war, wenn sie an den Abend in der Bibliothek zurückdachte. »Äh … Lady Piedmont hat uns miteinander bekannt gemacht.«
Das war irgendwie ebenfalls richtig, sofern man die Umstände in der Bibliothek als angemessene Form der Bekanntmachung akzeptierte. Was die Duchess vermutlich nicht tun würde. Richtig, denn schon im nächsten Moment folgte ein entsprechender Kommentar. »Lady Piedmont ist eine zweifelhafte Adresse, um passende Kontakte zu knüpfen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
Das brauchte sie auch nicht. Lily hatte schließlich mit eigenen Augen gesehen, wie diese Dame vorging. Doch das konnte sie ebenfalls kaum anbringen. »Sie machte auf mich einen recht weltgewandten Eindruck, Euer Gnaden.«
»So würdet Ihr das also nennen?« Die Herzoginwitwe musterte sie weiterhin skeptisch. »Rolthvens Bruder ist natürlich auf Gesellschaften durch diese schreckliche Gehbehinderung beeinträchtigt. Ich nehme an, das ist der Grund für seine Zurückhaltung.«
»Ich finde das nicht so schlimm.«
»Nein?« Ihre Gönnerin lächelte zufrieden, als habe Lily ihr damit eine Frage beantwortet. »Verstehe.«
Tat sie das?, fragte Lily sich. Hoffentlich nicht wirklich. Und warum sie das mit dem Bein nicht so schrecklich fand, ahnte die Gute ebenfalls nicht. Immerhin konnte er sie trotzdem auf seinen Armen die Treppe hoch und in sein Bett tragen, aber auch das sollte sie lieber verschweigen.
Überhaupt musste sie die Duchess schleunigst loswerden, bevor sie das Buch entdeckte, auf dem sie beinahe saß. Deshalb kam sie auf die Kleiderfrage zurück. »Ich dachte an das Grünseidene«, sagte sie und stand auf. »Es sei denn, Ihr habt einen besseren Vorschlag.«
»Grün? Nicht heute Abend. Ich finde, das lavendelblaue passt besser. Es bringt Eure Augen zur Geltung. Noch hat er nicht offiziell um Euch angehalten, Kind.«
Was stimmte. Allerdings hatte er seine Absicht auf höchst angenehme Art zum Ausdruck gebracht.
Lily mochte das lavendelblaue Kleid und hatte das grüne nur als Ablenkungsmanöver zur Sprache gebracht. Der Trick half, denn die alte Dame ging. Mit einem erleichterten Seufzen zog Lily das Buch hervor, dessen eine Ecke die ganze Zeit unter dem Sofakissen hervorgelugt
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