Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
entführen ließ. »Das macht zum Teil ihren Reiz aus, finde ich.«
»Kann sein.« James nippte nachdenklich an seinem Portwein. Die Fenster standen offen, und ein Nachtvogel sang in der Ferne sein Lied. »Sie ist schon immer sehr selbstständig gewesen. Selbst als der Skandal seinerzeit hohe Wellen schlug – und das war in der Tat ein traumatisches Erlebnis für ein junges Mädchen –, wurde sie nie hysterisch. Außerdem hat sie nie ihre Entscheidung verteidigt oder irgendetwas zu beschönigen versucht. Bis heute übrigens nicht. Ich vermute, Ihr habt mit ihr über die Sache geredet.«
»Das haben wir. Und ich versichere Euch: Unsere Beziehung ist in nichts mit der vergleichbar, die sie zu Arthur Kerr pflegte.«
Bourne nickte. »Das denkt wirklich niemand.«
Mit einem Mal kam Damien in den Sinn, dass ihr Cousin Bescheid wusste, dass er Sebrings Geheimnis kannte. Er bemerkte es an der reservierten Art, wie James sein Glas betrachtete. Hatte Lily es ihm verraten? Angeblich nicht. Woher dann?
Damien beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen, und vielleicht konnte Bourne ihm ja sogar weiterhelfen bei seinen Überlegungen. »Verzeiht mir meine Direktheit, aber mich würde interessieren, woher Ihr das von Sebring wisst. Und ob Ihr Euch vorzustellen vermögt, wer aus Eurem Bekanntenkreis ihm damit drohen könnte, die ganze Geschichte ans Licht zu bringen?«
»Was soll ich von ihm wissen?« Bourne sah ihn fragend an.
»Seine Vorliebe fürs männliche Geschlecht«, erklärte Damien unumwunden. Wenn Lily diesem Mann so sehr vertraute, konnte er das ebenfalls tun. »Wie habt Ihr davon erfahren? Ich kannte Arthur während unserer Zeit in Cambridge recht gut, und ich habe nie auch nur den Hauch eines Verdachts geschöpft.«
Bourne schaute weg und betrachtete angelegentlich das Renaissancegemälde einer Madonna mit Jesuskind an der gegenüberliegenden Wand, bevor er zu sprechen begann. »Ich habe es eher zufällig herausgefunden und Lily nie davon erzählt. Bitte, tut mir den Gefallen und verratet es ihr nicht. Sie hat schon genug durchgemacht. Für mich kam die Erkenntnis einer Erleuchtung gleich, denn endlich reimte sich alles zusammen. Warum dieses dumme Durchbrennen mit einer Katastrophe endete.«
Damien überlegte. Sebring passte nicht wirklich in das Schema der anderen Fälle. Irgendetwas war da anders und konnte gut auf Motive wie Rache und Bosheit hindeuten.
»Ich gebe Euch mein Wort, dass ich ihr nichts von diesem Gespräch erzählen werde.«
James nickte knapp. »Ein Freund hat mir davon berichtet. Sebrings Ehe war von Anfang an alles andere als glücklich. Was in unseren Kreisen allerdings nicht gerade außergewöhnlich ist, doch bei Arthur ist es wohl extrem schlimm. Das ist kein Geheimnis, wenngleich die meisten Leute keine Ahnung haben, warum er und seine Frau derart über Kreuz liegen.«
Ein Gedankenblitz zuckte in Damiens Kopf auf, der sich jedoch nicht richtig greifen ließ und gleich wieder verschwand. Er überlegte krampfhaft, was ihn alarmiert hatte – dann wusste er es wieder. »Welcher Freund?«
Sein geschärftes Interesse entging James Bourne nicht. »Ihr seid extrem neugierig, Northfield. Wenn es um die Vergangenheit von Lily und Sebring gehen sollte, seid versichert, dass das schon lange vorbei ist. Ihr habt also keinen Grund, jetzt noch Anstoß daran zu nehmen.«
»Das tue ich keineswegs – die Gründe für meine Fragen liegen ganz woanders. Nennt mir den Namen, und ich verspreche, Euch später alles umfassend zu erklären.«
»Thomas Fairfield.« James zögerte, dann fügte er hinzu: »Er starb vor einigen Monaten völlig unerwartet an einer Art Magenverstimmung.«
Das war die Verbindung, denn dieser Name stand auf seiner Liste der verdächtigen Todesfälle.
Endlich hatte er die richtige Spur gefunden.
Kapitel 25
Wenigstens wurde sie für das blaue Kleid belohnt. Für das höfliche Gespräch beim Essen und für die Aufmerksamkeit, mit der sie sich die Haare hatte frisieren lassen. Madame erlaubte ihnen, ohne Begleitung durch den Garten zu spazieren.
Umso enttäuschter war sie, dass Damien nicht annähernd so interessiert an diesem romantischen Spaziergang zu sein schien wie sie. Soweit sie es beurteilen konnte, wünschte er sie nicht einmal zu küssen, geschweige denn etwas anderes zu tun. Nichts Romantisches und nichts Verruchtes.
Ihr Liebhaber wollte einfach nur reden. Über lauter Dinge, die sie nur am Rande betrafen. Zwar ahnte sie, dass es um diese geheimnisvolle
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