Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
hatte, und brachte es unter ihren säuberlich gefalteten Unterhemden in Sicherheit.
So faszinierend dieser ominöse Ratgeber auch sein mochte, sie durfte ihn sich erst später in aller Ruhe ansehen. Im Moment gab es Wichtigeres zu tun: nämlich sich sorgfältig für den Abend herzurichten. Für Damien.
Sie trug blau.
Ihr Aufzug lenkte ihn dermaßen ab, dass Damien sich später kaum mehr an das Essen und den Wein erinnerte. Er hoffte allerdings, dass niemand bemerkte, wie sehr er in ihren Anblick vertieft war.
Lily sah wirklich atemberaubend aus. Das Kleid war sehr interessant geschnitten und gearbeitet mit sehr viel Spitze auf dem Mieder. Vor allem passte es zu ihren Augen, die die Farbe eines wolkenlosen Sommerhimmels hatten. Immer wenn er sie sah, fielen ihm solche Vergleiche ein.
Dabei war er eigentlich ein durch und durch prosaischer Mensch und wunderte sich selbst über solch schwärmerische und beinahe lyrische Anspielungen. Wenn das so weiterging, würde er am Ende noch anfangen, Gedichte zu schreiben. Hymnen an seine Liebste. Nein, lieber nicht, beschloss er. Seine Talente lagen eindeutig anderswo.
Und damit waren seine Gedanken bei seinem Auftrag angelangt, der ihm einiges Kopfzerbrechen bereitete, denn die Angelegenheit erwies sich als ziemlich vertrackt. Und als ziemlich undurchsichtig. Warum brachte jemand junge Männer um – oder ließ sie umbringen –, die nichts Schlimmeres getan hatten, als am Spieltisch zu viel zu riskieren oder eine unschickliche Tändelei einzugehen. Das ergab doch keinen Sinn! Vielleicht sollte er mit Lily darüber sprechen, auch wenn es ein völlig unromantisches Gesprächsthema war. Aber sie kannte immerhin Sebring sehr gut, der ja ebenfalls zum Kreis der Erpressungsopfer zählte.
Natürlich nicht jetzt, nicht an diesem Abend. In Gegenwart der Herzoginwitwe und der Schwestern, die sich inzwischen in den Salon zurückgezogen hatten, während er mit James Bourne, dem in Abwesenheit des Earl of Augustine die Rolle des Familienoberhaupts zukam, noch beim Portwein saß.
»Jonathan wird nächste Woche in die Stadt kommen. Dann könnt Ihr mit ihm über Lily reden«, sagte Bourne gerade.
»Danke für die Information«, sagte Damien verbindlich. »Ich würde auch nach Essex reisen, aber wenn es nicht nötig ist, umso besser.«
»Dann meint Ihr es wirklich ernst?« Bourne lehnte sich zurück, seine Finger spielten mit dem Glas, und er schaute sein Gegenüber offen an. Damien fand, dass es eine gewisse Familienähnlichkeit zwischen ihm und seinen Cousinen gab. Außerdem wusste er, dass Lily und er sich sehr nahestanden und über die verwandtschaftlichen Beziehungen hinaus wie vertraute Freunde miteinander umgingen. In diesen Kreisen nicht unbedingt die Regel. Hier galt meist der Grundsatz, dass Männer und Frauen zu unterschiedliche Interessen hätten.
Damien hob die Brauen. »Dass ich Lily heiraten will? Selbstverständlich.«
»Ich muss zugeben, das erstaunt mich ein wenig, Northfield.«
»Mich auch«, gab Damien mit entwaffnender Ehrlichkeit zu.
»Verstehe.« James schaute ihn durchdringend an. »Lily hat mir von der Sache in der Bibliothek erzählt. Und von Eurer einfallsreichen Flucht.«
Worauf wollte er hinaus? Dass da mehr passiert sein könnte? Er wappnete sich innerlich für eine Konfrontation, vor der selbst elegante Speiseräume im Ernstfall nicht schützten. Bourne wäre nicht mal im Unrecht. Seine Absichten mochten zwar ehrenhaft sein, sein Verhalten allerdings war es nicht, da gab er sich keinen Illusionen hin. Auch wenn er keine Sekunde dieses denkwürdigen Abends bereute.
Vorsichtig ging er auf Bournes Worte ein. »Sie wollte um jeden Preis ungesehen aus der Bibliothek heraus, und da bot sich der Geheimgang geradezu an. Was wir getan hätten, falls es keinen gegeben hätte – ich weiß es nicht. Egal, wir hatten Glück.« Damien schaffte es, recht gelassen zu wirken. »Ich wusste übrigens zu dem Zeitpunkt nichts von dem Skandal mit Sebring.«
»Aber sobald eine schöne Dame in Bedrängnis gerät, springt Ihr selbstverständlich sofort in die Bresche.«
»Hat sie das so gesagt?«
James schüttelte den Kopf. »Nein, sie muss Euch tatsächlich sehr vertrauen, dass sie diesen Ausweg in Betracht gezogen hat. Lily ist alles andere als furchtsam, doch ich weiß, dass sie seit ihrer Kindheit Angst vor dunklen, engen Räumen hat.«
»Nun, wirklich ängstlich scheint sie nicht zu sein«, meinte Damien amüsiert und dachte wieder an die Nacht, als er sie
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