Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
gebeten, dass sie sich meiner annimmt«, erklärte die Ältere säuerlich. Was stimmte. Dass es so gekommen war, lag nur an Jonathan. Verflucht soll er sein. Da es jedoch zum Besten der Familie war, durfte sie sich nicht beklagen.
»Sie ist etwas dominant«, meinte Betsy. Ihre Finger zupften nervös am Rock ihres Kleides. »Ich schwöre dir, wenn sie mich so anstarrt, werde ich zur Salzsäule wie Lots Weib. Wie erträgst du das bloß?«
»Ich starre zurück«, erwiderte Lily entschieden. »Nicht dass ich die Mühen, die sie meinetwegen auf sich nimmt, nicht zu schätzen wüsste. Aber die gute Eugenia opfert sich nicht wirklich für mich auf. Ich vermute eher, sie betrachtet das als eine Art Sport. Nur würde sie das nicht zugeben. Oberflächlich betrachtet tut sie ein gutes Werk, doch in Wirklichkeit frönt sie einer Leidenschaft. Sie betrachtet es als Herausforderung, hoffnungslose Fälle unter die Haube zu bringen und aus hässlichen Entlein passable Schwäne zu machen. Das zu schaffen, darauf richtet sie alle Energie und ihren ganzen Ehrgeiz.«
»Na, du würdest auch ohne sie jemanden finden – so wundervoll, wie du aussiehst.«
»Ich fürchte, du bist voreingenommen.«
Betsy schüttelte den Kopf. »Ich sage nur die Wahrheit. Wäre Lord Sebring nicht gewesen …«
»Es war absolut nicht seine Schuld«, fiel Lily ihrer Schwester ruhig ins Wort. Zwar wollte sie den Mann, der ihren Ruf zerstört hatte, nicht verteidigen, doch genauso wenig mochte sie ihn verunglimpfen. »Vergiss bitte nicht, dass ich zugestimmt habe, mit ihm durchzubrennen. Damit trage ich ebenso Schuld an dem Dilemma wie er.«
»Du bist einfach zu gerecht.«
»Nein, nur realistisch.«
»Sei nicht so stur. Warum nimmst du einen Mann in Schutz, der so viel Rücksichtnahme nicht verdient?« Betsys Loyalität war unerschütterlich.
Lily nahm sich ein Scone und biss ab. Kaute und schluckte, ehe sie geschickt das Thema wechselte. »Dann nehme ich an, dass Mr. Dougherty zum Tee kommt und du dir deshalb Sorgen machst, ob ich anwesend sein werde.«
»Lord Davenport wird ebenfalls erwartet. Carole und ich wollen einfach sichergehen, dass du nicht wieder mir nichts, dir nichts verschwindest.«
Wie gestern Abend erst, aber dieser Rückzug war gründlich danebengegangen. Oder fast. Vielleicht sollte sie das als Zeichen nehmen, solche Eskapaden künftig zu unterlassen. Auch wenn das bedeutete, zu unerträglichen Bällen zu gehen und langweilige Teestunden mit den Verehrern ihrer Schwestern zu verbringen. »Ich werde pünktlich sein«, murmelte sie und trank ihre Schokolade aus.
Das Haus war eher bescheiden und machte keinen sonderlich gepflegten Eindruck. Damien Northfield reichte dem Butler, der ihm die Tür öffnete, seinen Mantel und ließ sich von ihm zu einem der mächtigsten Männer des britischen Königreichs führen, der ihn bereits erwartete.
Er war so naiv gewesen zu glauben, er werde nie wieder etwas mit Sir Charles Peyton zu tun haben. Wie konnte er bloß auf diese Idee kommen und davon ausgehen, dass sie für alle Zeiten miteinander fertig seien. Sein Gastgeber schaute auf, legte den Stift beiseite und wies einladend auf einen Stuhl. »Northfield. Setzt Euch.«
Der alte Stuhl knarzte, als er Platz nahm. Einmal mehr wunderte er sich, dass ein Mann wie Peyton so wenig repräsentativ wohnte. Oder war das Teil seiner Tarnung? Der Blick aus dem Fenster, der direkt auf die Themse ging, war allerdings wirklich spektakulär und entschädigte ein wenig für den unansehnlichen Rest. »Sir.«
»Ich habe Euch aus einem bestimmten Grund herbestellt.«
»Ihr tut nie etwas grundlos. Deshalb bin ich bereits selbst zu diesem Schluss gekommen.«
Der Vertraute und wichtigste Ratgeber des Premierministers, zuständig für alle geheimen Unternehmungen, lächelte ihn geheimnisvoll an. »Es würde mir nicht im Traum einfallen, Eure Zeit zu verschwenden, Mylord.«
Die Behauptung machte ihn misstrauisch, und unbewusst rieb er seinen schmerzenden Oberschenkel. Eine neue Angewohnheit. Mitten in der Bewegung verharrte er. Sein Lächeln geriet etwas schief. »Was wollt Ihr von mir, Sir Charles?«
»Es handelt sich lediglich um eine Kleinigkeit.«
Damien hätte am liebsten gegrinst. Bestimmt nicht. Nichts, womit Charles Peyton zu tun hatte, war bloß eine Kleinigkeit. »Ich verstehe.« Damien lehnte sich zurück, schlug die Stiefel übereinander und gab sich gänzlich ungerührt. »Fahrt fort.«
»Es ist wirklich nur eine Formalität.«
»Ach, na dann bin
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