Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
Spionin bezaubernd sein musste. Nicht richtig schön vielleicht. Zumindest nicht auf die Art einer Lady Piedmont mit ihren üppigen Brüsten und den flammenden Haaren. Anders eben, aber hübsch und einprägsam. Das erkannte er trotz des Dämmerlichts. Ihre Haare hatten eine dunkle Farbe, die im Mondschein braungolden schimmerte. Ihre Gestalt war schlank und zierlich, was ihm sehr zusagte, und ihre Haut hell und makellos. Zu ihrer Erscheinung passte das schlichte, wiewohl sehr modische Kleid, das auf alles Überladene, auf Rüschen, Spitzen und allerlei Applikationen verzichtete. Der Ausschnitt brachte die sanften Rundungen ihrer Brüste verführerisch zur Geltung, und der rosafarbene Stoff schmeichelte ihrem Teint.
Fast trotzig reckte sie ihr wohlgeformtes Kinn. »Ich war zuerst hier.«
Faszinierend. Er liebte diese kämpferische Art. Außerdem war ihr Einwand berechtigt, und so zuckte er nur mit den Schultern, beobachtetesie bloß. Würde er diese Angewohnheit wohl jemals ablegen? Gott, er hoffte es so sehr. Immerzu musterte er die Menschen mit einer unnatürlichen Intensität. Früher war das wichtig gewesen, genau wie die Schärfung aller Sinne. Jetzt hingegen brauchte er es nicht mehr – und er hasste es eigentlich, ständig auf der Hut zu sein, als würden überall Gefahren lauern – trotzdem schaffte er es nicht, sich umzustellen. Vielleicht lag es daran, dass er nur um ein Haar dem Tod entronnen war.
»Da gebe ich Euch recht«, sagte er endlich und trank noch einen Schluck von dem Brandy. Er hatte unzählige Verhöre durchgeführt, und man sagte, er sei sehr, sehr gut darin – er selbst wusste am besten, dass das stimmte. »Da niemand hier ist, der uns einander vorstellen könnte und Ihr zudem bereits Zeugin einer sehr persönlichen Auseinandersetzung geworden seid, denke ich, wir sollten das nachholen.« Er verbeugte sich leicht. »Lord Damien Northfield, zu Euren Diensten.«
Er spürte ihr Zögern, bevor sie kühl antwortete: »Lady Lillian Bourne.«
Er war noch nicht lange genug zurück in der Gesellschaft, um mit den aktuellen Klatschgeschichten vertraut zu sein. Abgesehen davon hielt er nach seinen Erlebnissen in Portugal und Spanien, wo Großbritannien auf Seiten der beiden Länder gegen Frankreich kämpfte, die diversen lässlichen Sünden der englischen Oberschicht für mehr als zweitrangig. Etwas am Klang ihrer Stimme sagte ihm allerdings, dass sie voraussetzte, ihr Name müsse ihm etwas sagen. Aber was?
Bestimmt meinte sie nicht seinen Eindruck, dass er zu ihr passte. Lillian. Er mochte den Namen. Elegant, ohne prüde zu wirken.
»Darf ich mich bei Euch entschuldigen, weil Ihr diese peinliche Situation belauschen musstet?« Das war das Mindeste, was sie als unverheiratete junge Lady erwarten durfte – und dass sie das war, darauf würde er sein Leben verwetten. Eine Jungfrau, die eine dermaßen unanständige Auseinandersetzung mit anhören musste!
»Mir kam es so vor, als wärt Ihr nicht derjenige gewesen, der sich unangemessen verhielt, Mylord.«
Hübsch und intelligent. Die Ironie ihrer Worte entging ihm nicht. »Ich habe mir große Mühe gegeben, ihr auszuweichen«, antwortete er mit einem leichten Lächeln und hoffte, dass es entwaffnend auf sie wirkte.
»Sie ist sehr schön.«
Ihre Direktheit überraschte ihn erneut. »Ja.« Er drehte sein Glas in den Händen, nippte daran und erklärte: »Aber ihr unverfrorenes Jagdverhalten reizt mich nicht. So etwas habe ich schon oft genug erlebt.«
Blitzte Belustigung in ihren Augen auf? Er war sich nicht sicher. »Das nenne ich eine wirklich interessante Bemerkung«, sagte sie. »Reden wir noch immer über liebestolle Damen, die sich Euch in die Arme werfen?«
»Nein.«
»Das dachte ich mir.«
Jeder andere Mann hätte sie vermutlich einfach gefragt, warum sie nicht im Ballsaal sei und sich die zarten Füße blu tig tanzte, doch er mied den direkten Weg. Seine Methoden, die gewünschten Informationen zu erhalten, waren eher subtiler Natur. »Allerdings muss ich zugeben, dass ich mit den Gepflogenheiten der Gesellschaft nicht mehr so vertraut bin.«
Zu seiner Überraschung fragte sie nicht nach dem Grund. Diese Lady Lillian war selbst für ihn schwer durchschaubar. Weder ließ sie erkennen, ob sie bereits von ihm gehört hatte, noch fragte sie ihn, warum er so lange den erlauchten Adelskreisen ferngeblieben sei. Sie tat nichts dergleichen. Stattdessen stand sie auf. Die rosafarbene Seide raschelte, und der Veilchenduft, der sie dezent
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